Nuklearmedizin und Uroonkologie: Partnerschaften im Zeitalter der individualisierten Therapie

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die aktuelle Ausgabe von „Der Nuklearmediziner“ befasst sich mit der – in den letzten Jahren deutlich gewachsenen – Rolle der Nuklearmedizin in der Uroonkologie. Jahrzehntelang beschränkten sich nuklearmedizinische Anwendungen in diesem Fachgebiet größtenteils auf die Früherkennung von Knochenmetastasen bei Prostatakarzinomen, und wurden dann auf eine gezielte osteotrope Radionuklidtherapie in fortgeschrittenen Tumorstadien erweitert. Die Fortschritte in der Hybridbildgebung führten zu einer verbesserten Aussagekraft der Skelettszintigraphie, welche durch die SPECT/CT ergänzt wurde und dadurch an Spezifität deutlich gewonnen hat. Parallel dazu konnten dank der rasanten Entwicklung der Radiopharmazie zahlreiche neue PET-Tracer entwickelt und in der klinischen Routine für die Diagnostik von Prostatakarzinomen evaluiert werden.

In diesem Heft werden die Neuentwicklungen unseres Fachgebiets diskutiert, welche die vielen neuen Ansätze in der Diagnostik und Therapie von Tumoren des urogenitalen Trakts ermöglicht haben. Ein besonderes Augenmerk wird auf die PSMA-basierten Radiopharmaka gerichtet, deren Entwicklung in kürzester Zeit zu einem Durchbruch in der nuklearmedizinischen Diagnostik, aber auch in der Radionuklidtherapie von Prostatakarzinomen geführt hat. Ein umfassender Übersichtsartikel aus dem Heidelberger Zentrum (wo die PSMA-Marker maßgeblich entwickelt wurden) beschreibt die aktuellen Ansätze zur Entwicklung von PET-Radiopharmaka und bietet einen spannenden Überblick über etablierte und neue, vielversprechende Biomarker für diese Tumorentität. Der didaktisch sehr gut aufgebaute CME-Beitrag fasst die verfügbaren Daten zum Stellenwert der PSMA-PET/CT-Diagnostik bei den klinisch relevanten Fragestellungen zusammen. Zwei Arbeiten beschreiben den Einsatz von ^99mTc-markierten PSMA-Liganden in der SPECT/CT-Diagnostik bzw. in der Radioguided Surgery beim Prostatakarzinom und bringen dem Leser den aktuellen Stand dieser innovativen Konzepte nahe. Zudem wurde ein hochrelevanter Artikel verfasst, der den aktuellen Stand der ¹⁷⁷Lu-PSMA-Therapie beschreibt und einen Überblick über laufende Erprobungsstudien und deren möglichen Einfluss auf den zukünftigen Platz dieses Verfahrens im Therapiealgorithmus bei fortgeschrittenen, therapierefraktären Prostatakarzinomen bietet. Ein weiterer Beitrag widmet sich den aktuellen Konzepten der systemischen Therapie bei metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC); hierbei bewerten die Autoren auch die Rolle der Radionuklidtherapien aus der uroonkologischen Perspektive.

Auch wenn die Prostatakarzinome gegenwärtig den wichtigsten Berührungspunkt zwischen den Nuklearmedizinern und den Urologen darstellen, spielen diagnostische Anwendungen der Nuklearmedizin auch bei anderen Tumoren des urogenitalen Trakts eine klinisch bedeutsame Rolle. Eine Übersichtsarbeit bietet dem Leser ein Update zum Stellenwert der FDG-PET/CT bei Keimzelltumoren.

Eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Behandlung von uroonkologischen Tumoren ist unentbehrlich und findet auf mehreren Ebenen statt, etwa im Tumorboard oder bei den klinikinternen Fallkonferenzen. Eine neue Versorgungsform, die spezialfachärztliche Versorgung (ASV) ergänzt die bestehenden Strukturen und wurde eingeführt, um eine lückenlose Versorgung der Patienten im ambulanten und im stationären Sektor zu gewährleisten und ihnen eine hochqualitative Diagnostik und Behandlung anzubieten. Der letzte Beitrag des Heftes nimmt die 2018 zugelassene ASV „urologische Tumore“ unter die Lupe und schildert Vor- und Nachteile dieses Versorgungskonzepts in der klinischen Realität.

In der vorliegenden Ausgabe haben wir uns bemüht, die vielfältigen Entwicklungen der nuklearmedizinischen Diagnostik und Therapie bei uroonkologischen Tumoren zu beleuchten. Ich hoffe, dass es uns gelungen ist und Sie die Lektüre der Beiträge als nützlich und praxisrelevant empfinden.

Publication History

Article published online:
30 November 2020