Dialyse aktuell 2020; 24(03): 122-131
DOI: 10.1055/a-1114-8229
Schwerpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Konservative Therapie bei hochbetagten Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz

Hintergründe und Erfahrungen aus dem Nephrologicum Lausitz
Rebecca Starke
1   Nephrologicum Lausitz, Ambulantes Zentrum für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Cottbus
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Publication Date:
08 April 2020 (online)

ZUSAMMENFASSUNG

Aufgrund der veränderten Alters- und Morbiditätsstruktur der Patienten mit terminalem Nierenversagen rückt die maximale konservative Therapie (KT) zunehmend als mögliche Therapieoption neben der Hämodialyse (HD), Peritonealdialyse (PD) und der Transplantation in den Fokus unserer Betrachtung. Besonders das Dialysepersonal macht die Erfahrung, dass oft hochbetagte, multimorbide Patienten von einer Dialysetherapie hinsichtlich Lebensqualität und Lebenszeit nicht profitieren. Hochbetagte Patienten an der Dialyse sind bzgl. der Pflege ein bedeutender Mehraufwand. Immer wieder kommt es daher zu Differenzen des Betreuungsschlüssels, was zum Ergebnis hat, dass eine zufriedenstellende Behandlung dieser aufwendigen Patienten oft kaum zu gewährleisten ist. Die maximale KT ist in vielen Bereichen der Nephrologie unterrepräsentiert und wird noch zu wenig in die Entscheidungsfindung nach einer adäquaten Therapie für den alten Patienten einbezogen. Im Nephrologicum Lausitz ist die konservative Therapie seit 2013 eine integrierte Therapieform der terminalen Niereninsuffizienz. Eine Analyse des Ist-Zustandes im Januar 2019 zeigt, dass ca. 50 % von 42 erfassten Patienten ein Alter von über 90 Jahren aufwiesen. Im Vordergrund der Komorbiditäten stehen Herzerkrankungen (77 %), Diabetes mellitus (57 %) und pAVK (25 %). Mittels der maximalen KT konnte bei 36 von 42 Patienten die Nierenfunktion stabilisiert oder verbessert werden und die Folgesymptome des terminalen Nierenversagens bei ca. 80 % durch entsprechende medikamentöse Therapiemaßnahmen kompensiert werden. Die Betreuung der KT-Patienten durch eine „KT-Schwester“ ist besonders anspruchsvoll und erfordert viel Zeit, Erfahrung und Einfühlungsvermögen. Sie unterscheidet sich in der Arbeit einer normalen Sprechstundenschwester erheblich. Eine große Rolle spielt dabei v. a. die gute Zusammenarbeit zwischen dem Nephrologen, den Angehörigen, Hausärzten und den Pflegediensten. Trotz des pflegerischen Mehraufwandes entschädigt das Mehr an Lebensqualität und die Zufriedenheit der alten, multimorbiden Patienten in erheblichem Maße, da Betreuungsschlüssel und Ergebnis (Lebensqualität der Patienten) in einem zufriedenstellenderen Verhältnis stehen. Mehr als 50 % der Patienten weisen eine Lebenszeit mit konservativer Therapie von über 3 Jahren in überwiegend gutem Ernährungszustand und hoher Patientenzufriedenheit auf – trotz stark reduzierter und eingeschränkter Mobilität sowie Gebrechlichkeit. Die jährliche Mortalitätsrate liegt bei 25–30 % und ist vergleichbar mit der jährlichen Sterberate bei hochbetagten Dialysepatienten. Aufgrund von Erfahrungen im Nephrologicum Lausitz und aus veröffentlichten Studienergebnissen ist die maximale KT eine berechtigte Therapieoption des terminalen Nierenversagens und sollte bei der Entscheidungsfindung zu einer adäquaten Therapie bei hochbetagten, multimorbiden und gebrechlichen Patienten einen höheren Stellenwert als bisher einnehmen.