Der Schmerzpatient 2020; 3(02): 56-57
DOI: 10.1055/a-1127-6419
Gelesen und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Natur vs. Stress

Further Information

Publication History

Publication Date:
14 April 2020 (online)

Zusammenfassung der Studie

Hintergrund

Immer mehr Menschen leben in immer größeren Städten. Angesichts dieser Entwicklung kann vermutet werden, dass das mit Hektik und Stress verbundene urbane Leben ein höheres Gesundheitsrisiko birgt als das naturnahe Leben auf dem Land. Gerade die Rolle von Stress steht bei der Chronifizierung und Aufrechterhaltung von Schmerzen zunehmend im Fokus der Wissenschaft.


#

Ziel

Die aktuelle Studie von Mary Carol Hunter, Brenda Gillespie und Sophie Chen erforschte, welchen Einfluss das Erleben von Natur auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Menschen in der Stadt hat. Dabei wurde auch untersucht, wie lange ein Aufenthalt im Freien dauern sollte, um stressreduzierend zu wirken.


#

Methodik

Design Adaptive Managementstudie

Ein- und Ausschlusskriterien An der Untersuchung nahmen 44 gesunde Bewohner der Mittelstadt Ann Arbor im US-Bundesstaat Michigan teil. Das Durchschnittsalter der eingeschlossenen 36 Probanden betrug 45,8 Jahre. 86% waren Weiße, 92% Frauen. Die Teilnehmer hatten im Mittel 3,22 Naturerlebnisse pro Woche.

Vorgehen Die 36 inkludierten Teilnehmer sollten sich über einen Zeitraum von acht Wochen mindestens dreimal wöchentlich für mindestens zehn Minuten im Freien aufhalten und hierbei das Gefühl eines Kontakts mit der Natur haben. Hierbei bestimmten sie selbst die Tageszeit, die Dauer sowie den Ort für ihr Naturerlebnis.

Messungen Während der achtwöchigen Studie entnahmen die Teilnehmer selbstständig insgesamt vier Speichelproben jeweils vor und nach einem Naturerlebnis. Im Labor wurden die Veränderungen der beiden physiologischen Stress-Biomarker Kortisol und Alpha-Amylase erfasst. Weil Kortisol und Alpha-Amylase unterschiedliche Tagesmuster aufweisen, sollten die Teilnehmer ihre Proben frühestens eine Stunde nach dem Aufwachen sowie vor Einbruch der Dunkelheit entnehmen.

Kortisol ist das primäre Stresshormon. Die Konzentration von Kortisol im Speichel ist morgens nach dem Aufwachen am höchsten, sie sinkt im Verlauf des Tages und in der Nacht. Speichelamylase wird vom Verdauungssystem produziert. Die Konzentration dieses Enzyms reduziert sich deutlich in der ersten Stunde nach dem Aufwachen und nimmt dann stetig bis zum Abend zu.


#

Ergebnisse

Nach einem Naturerlebnis erhöhte sich der stündliche Abbau von Speichelkortisol von normalerweise 11,7% auf 21,3%. Am höchsten war die Senkung bei 20- bis 30-minütigen Aufenthalten in freier Natur. Bei längeren Naturerlebnissen sank das Kortisol nur noch in niedriger Rate. Aktivitäten hatten keinen Einfluss auf die Kortisol-Reaktion.

Bei der Alpha-Amylase zeigte sich – unter Berücksichtigung des täglichen Anstiegs von 3,5% pro Stunde – ein stündlicher Rückgang von 28,1%. Dieses Ergebnis erzielten aber nur jene Teilnehmer, die während ihres Naturerlebnisses körperlich inaktiv waren.


#

Schlussfolgerung

Ein Aufenthalt in der freien Natur führt bei Gesunden nachweislich zur Reduktion von Kortisol und Alpha-Amylase im Speichel. Damit ein Aufenthalt im Freien mittels eines erhöhten Abbaus von Kortisol stressreduzierend wirkt, reichen bereits 20 bis 30 Minuten.


#