Psychother Psychosom Med Psychol 2020; 70(07): 308-310
DOI: 10.1055/a-1194-1038
Fragen aus der Forschungspraxis

Schnell-Tests auf Covid-19: Was gibt es da zu diskutieren?

Uwe Berger
Was wird erklärt?

Die Entwicklung und Verfügbarkeit von Schnell-Tests (Filter-Tests, Screening-Tests) zur raschen Entdeckung von bereits infizierten Personen ist eine häufig gehörte Forderung zum kontrollierten Umgang mit der Covid-19-Pandemie. Damit verbunden ist die Frage, warum Tests nicht generell bevölkerungsweit eingesetzt werden, sondern nur bei Risikogruppen, Verdachtsfällen oder Personen mit auffälligen Symptomen sowie in Hotspots oder bei bereits fortgeschrittener Virusverbreitung.

Als Folge der Covid-19-Pandemie kann ein sprunghaft gestiegenes Interesse an epidemiologischen Fragestellungen beobachtet werden, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Fachkreisen. Plötzlich erklingen unter Schutzmasken beim Einkaufen im Supermarkt oder zwischen Kontrahenten populärer Talkshows Begriffe wie „Sensitivität“, „Spezifität“, „Validität“, „positiver und negativer Vorhersagewert“ – Begriffe, die vor dem März 2020 selbst in der akademischen Lehre für angehendes medizinisches Fachpersonal noch als eher „nerdy“ galten. Allerdings wird selten erklärt, was genau sich hinter diesen Begriffen verbirgt.

Tab. 1 Vier-Felder-Schema, Daten angelehnt an [3].

Goldstandard positiv

Goldstandard negativ

Schnell-Test positiv

A  631

B  6

Schnell-Test negativ

C  12

D  1160

Tab. 2 Vier-Felder-Schema, Daten aus Tab. 1 hochgerechnet auf Gesamtbevölkerung Deutschlands (gerundet).

Goldstandard positiv

Goldstandard negativ

Schnell-Test positiv

A  175 000

B  422 000

Schnell-Test negativ

C  3300

D  81 500 000

Die Antwort auf die Frage, warum Tests zur Entdeckung einer Infektion mit dem neuen Corona-Virus (synonym: SARS-CoV-2) nicht bereits in der Anfangsphase der Verbreitung der Covid-19-Erkrankung flächendeckend eingesetzt werden, umfasst mehrere Facetten. Aus testtheoretischer Sicht ist hierbei zunächst zu unterscheiden zwischen einem Filter- oder Screening-Test (umgangssprachlich oft als Schnell-Test bezeichnet) und einem sogenannten „Goldstandard“ (einem aufwändigeren und zuverlässigeren Test, der in der Regel nur von geschultem Fachpersonal eingesetzt werden kann). Weitere Facetten sind psychologischer, ethischer, medizinischer und politisch-ökonomischer Art. Psychologisch geht es zum einen um die Akzeptanz eines Tests und damit die Bereitschaft einer Person, selbst getestet zu werden (analog zur Impfbereitschaft). Zum anderen geht es um die psychischen Folgen nach der Testung, wie (trügerische) Sicherheit nach einem negativen oder Angst/Panik nach einem positiven Testergebnis. Aus ethischem Blickwinkel ist z. B. die Frage von Bedeutung, welches Maß an unerwünschten Wirkungen des Tests für das Gemeinwohl in Kauf genommen werden sollen. Medizinisch ist u. a. relevant, wie schnell Testergebnisse verfügbar sind und wie invasiv der Test ist. Politisch-ökonomisch spielt v. a. eine Rolle, wie teuer und verfügbar ein Test ist oder anders ausgedrückt: Wer sind die Testanbieter? Sind es (inländische/ausländische) Pharma-Firmen oder staatlich geförderte Forschungsinstitutionen?

Um den Rahmen des Formats nicht zu sprengen, soll es in diesem Beitrag in erster Linie um den testtheoretischen Hintergrund und die Erläuterung der eingangs erwähnten Fachbegriffe gehen.



Publication History

Article published online:
20 July 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York