AkupunkturPraxis 2021; 02(01): 4
DOI: 10.1055/a-1252-8897
Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Thema Kreuzschmerz ist in primär versorgenden Praxen ein Dauerbrenner. Allerdings ist die überwiegend biomechanische Betrachtungsweise, die Rückenschmerzen zunächst als rein orthopädisches Problem betrachtete, eigentlich schon lange durch das biopsychosoziale Verständnis ergänzt und teilweise ersetzt – sollte man meinen.

Das scheint aber in der Versorgungsrealität noch nicht wirklich angekommen zu sein. Vor allem die traditionell empirisch weitergegebenen ärztlichen Vorgehensweisen, von z. B. der Diclofenac-Dexa-i.-m.-Kombination alter Schule über invasive Maßnahmen bis zur Verordnung von Massagen, Röntgen und MRT, scheinen sich für akute Kreuzschmerzen tapfer in der praktischen Anwendung zu halten. Wahrscheinlich werden sie auch für erfolgreich gehalten, aber es fehlt dazu die wissenschaftliche Evidenz oder es liegt gar Evidenz für schädliche Effekte oder Nicht-wirkung vor. Hier geht es nicht nur um ärztliches bzw. therapeutisches Handeln, sondern auch um bewusstes Unterlassen von kontraproduktivem Handeln.

Vor diesem Hintergrund erwartet Sie in dieser Ausgabe der AkupunkturPraxis ein CME-Artikel zum rationalen Vorgehen bei akuten Kreuzschmerzen. Elmar Peuker beleuchtet in einem Artikel zur Anatomie des Plexus lumbosacralis die Differenzierung radikulärer Symptome von Symptomen durch Affektion peripherer Nerven. Diese resultieren häufig aus einer Einengungssymptomatik von Nerven oder Nervenästen, die unterschiedliche Ursachen haben kann und insbesondere auch bei Fehlhaltungen und muskulären Dysbalancen auftritt. Eine korrekte Einordnung einer entsprechenden Symptomatik ist für eine effektive Therapie erforderlich.

Wie aus traditionell chinesischer Sicht eine gezielte und oft auch kausale Therapie von Lumbalgie möglich ist, erläutert Stefan Kirchhoff. Er erklärt, wie bei der Zusammenstellung einer geeigneten Akupunkturpunktauswahl die wechselseitige Beeinflussung der Leitbahnen und Zang Fu untereinander zu berücksichtigen sind und gibt dafür praktische Hinweise. Kamayni Agarwal und Naomie Cayemitte-Rückner beleuchten den Einsatz der Akupunktur bei Schmerzen im lumbosakralen Übergang bzw. im Beckengürtel von Schwangeren und Wöchnerinnen.

Im Journal Club kommentiert Taras Usichenko 2 aktuelle Arbeiten, eine davon zum akuten nicht spezifischen Kreuzschmerz. Ganz praktisch abgerundet wird das Thema durch eine Fallbeschreibung von Gerrit Borgmann. Er berichtet über die Akupunkturbehandlung bei einem Patienten mit anhaltender Lumbalgie und rezidivierenden Schmerzausstrahlungen in die Beine.

Über den Tellerrand der Akupunktur hinaus erklärt uns Ute Beckmann am Beispiel der Muskel-Energie-Techniken, wie Synergien aus Akupunktur und osteopathischer Medizin bei Rückenschmerzen genutzt werden können. Eine wichtige praktische Voraussetzung dieser Behandlungsform ist, dass Patienten aktiv bei der Behandlung mitarbeiten. Aktivierende Maßnahmen für Kreuzschmerzpatienten – das ist auch eine immer wieder in unterschiedlichen nationalen und internationalen Leitlinien abgeleitete evidenzbasierte Empfehlung.

Mit dieser Mischung an unterschiedlichen Betrachtungsweisen zum Thema Kreuzschmerz wollen wir Ihnen für die eigene Akupunkturpraxis wieder praktische Anregungen geben. Kreuzschmerz ist nicht nur eine interdisziplinäre Aufgabe. Die Weichen für die Prognose und die Entwicklung der Kreuzschmerzen werden in der Primärversorgung gestellt – nicht nur in der orthopädischen.

Viel Freude beim Lesen der neuen Ausgabe der AkupunkturPraxis!

Für das Herausgeberteam – Rainer Kamp



Publication History

Article published online:
15 February 2021

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