Psychother Psychosom Med Psychol 2021; 71(05): 192-201
DOI: 10.1055/a-1275-0915
Originalarbeit

„Wir sind jetzt auch auf dem Weg dahin“ – Qualitative Untersuchung zu den Perspektiven älterer gesunder Erwachsener über Voraussetzungen, Schwierigkeiten und Nutzen von Gesprächen über das Lebensende

“We are Heading Towards that Now” – A Qualitative Analysis of the Perspectives of Healthy Older Adults on Conditions, Difficulties and Benefits of Early End-of-Life Conversations
1   Klinische Psychologie und Psychotherapie, Philipps-Universität Marburg
,
1   Klinische Psychologie und Psychotherapie, Philipps-Universität Marburg
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2   Ethikkommission Humanmedizin, Philipps-Universität Marburg
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1   Klinische Psychologie und Psychotherapie, Philipps-Universität Marburg
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1   Klinische Psychologie und Psychotherapie, Philipps-Universität Marburg
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Zusammenfassung

Hintergrund und Ziel Frühzeitige Gespräche über das Lebensende können zu einer personenzentrierten Versorgung am Lebensende beitragen. Allerdings finden derartige Gespräche oft nicht oder zu spät statt. Im Rahmen einer qualitativen Pilotforschung soll ein Einblick in die Voraussetzungen für eine Gesprächsinitiierung, Schwierigkeiten und Nutzen aus Sicht gesunder Erwachsener ermöglicht werden. Die Ergebnisse können in der psychosomatischen Grundversorgung Berücksichtigung finden, sodass die Kommunikation über das Lebensende bei erkrankten, sowie gesunden älteren Personen frühzeitig initiiert und gefördert werden kann.

Methoden Die Interviews entstammen einer experimentellen Untersuchung zum Umgang mit Gesprächen über das Lebensende bei gesunden Probanden des höheren Erwachsenenalters, die über Aushänge rekrutiert wurden. Sechs Transkripte von 2 männlichen und 4 weiblichen Teilnehmerinnen (65–78 Jahre) wurden mithilfe der Thematischen Analyse nach Braun & Clarke ausgewertet.

Ergebnisse Voraussetzungen für eine Gesprächsinitiierung ließen sich in Überzeugungen und Einstellungen, intrinsische Motivation, Erfahrung, familiäre Kommunikation und praktische Umsetzung einteilen. Schwierigkeiten zeigten sich in den Bereichen kognitive Barrieren, praktische Umsetzung, emotionale Barrieren, Beziehungsebene, und Umgebungsbedingungen. Die Befragten sahen den Nutzen auf der Beziehungsebene, in den Bereichen Organisatorisches und Wertvorstellungen, sowie den kognitiven und emotionalen Nutzen.

Diskussion Die Ergebnisse knüpfen an die bisherige Forschung insofern an, dass es aus Sicht älterer Gesunder einen zu späten Zeitpunkt für familiäre Gespräche über das Lebensende gibt. Es wird deutlich, dass bestimmte Barrieren frühzeitige Kommunikation verhindern können. Die gewonnenen Erkenntnisse liefern Anstöße für weitere Forschung und können zur Entwicklung von Interventionen zur Erhöhung der Bereitschaft, rechtzeitig das Thema Lebensendeplanung anzusprechen, verwendet werden.

Schlussfolgerung Frühzeitige Gespräche über das Lebensende sollten im Sinne der präventiven Gesundheitsvorsorge niedrigschwellig angeboten werden. Behandelnde in der psychosomatischen Grundversorgung können Gesprächsbedarf erkennen, Informationen vermitteln, Barrieren abbauen und strukturierte Gesprächsbegleitung anbieten.

Abstract

Objective Early conversations about the end of life can contribute to patient-centered care at the end of life. Too often, however, these conversations do not take place or if they do, they are too late. The aim of this qualitative research was to identify the prerequisites, difficulties and usefulness of such conversations from the point of view of healthy older adults. The findings might be of use in primary health care to provide early and open end-of-life discussions.

Methods The interviews stem from an experimental study concerning the readiness of end-of-life conversations with healthy adults. Six transcripts (2 male and 4 female participants, 65–78 years) were evaluated by using the thematic analysis by Braun and Clarke.

Results Conditions for the initiation of conversations were thematically separated into beliefs and attitudes, intrinsic motivation, experience, family communication and practical realization. Difficulties were found in the areas of cognitive barriers, practical realization, emotional barriers, relational factors and environmental conditions. Participants saw the usefulness of such conversations in the areas of relationship quality, organizational profit, values, as well as cognitive and emotional areas.

Discussion The results are in agreement with past research. From the perspective of older healthy people, family conversations about the end of life can be “too late”. However, it also appears that there are specific barriers to early discussions. The findings on helpful conditions and barriers can be used for the development of interventions to increase readiness for such discussions.

Conclusion Early conversations about the end of life should be offered in the sense of preventive care in a low-threshold way. Providers of primary health care can identify a “need to talk”, reduce communication barriers and encourage confrontation with one’s own mortality. Adequate information should be provided if necessary, and a structured communication approach should be employed.

Zusatzmaterial



Publication History

Received: 13 July 2020

Accepted: 28 September 2020

Article published online:
27 November 2020

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