Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2020; 25(05): 239-245
DOI: 10.1055/a-1286-9445
Originalarbeit

Corona Pandemie und finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung

Corona Pandemic and financial stability of statutory health insurance
Volker Ulrich
Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insb. Finanzwissenschaft, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Bayreuth
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Zusammenfassung

Die Corona-Pandemie zeigt, dass Deutschland über ein durchaus resilientes Gesundheitssystem verfügt, insbesondere auch im internationalen Vergleich. Die anfallenden coronabedingten Mehrausgaben sollten weitgehend über Steuern finanziert werden. Das erscheint angemessen, da die Mehrausgaben bei den Krankenkassen vielfach GKV-fremde Leistungen betreffen, zum Beispiel Schutzausrüstungen, flächendeckende Tests und später auch Impfungen (zumindest der externalisierende Teil der Impfung). Diese sind aus Steuermitteln zu tragen, da sie Maßnahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge darstellen.

Der Spielraum für Steuererhöhungen ist allerdings begrenzt, will man nicht nur die Besserverdienenden belasten, wodurch deren Grenzbelastung ansteigen würde, mit negativen Effekten für Wachstum und Beschäftigung. Auch Beitragssatzsteigerungen sind unter dem Aspekt der Lohnnebenkosten nicht das Instrument erster Wahl. Unterm Strich dürften vor allem Steuern, neue Schulden und der Rückgriff auf die Reserven des Gesundheitsfonds stehen. Verschuldung ist wiederum unter Nachhaltigkeitsaspekten nicht unbedenklich, belastet es doch einseitig die kommenden Generationen. Das Dilemma besteht allerdings darin, dass es keinen bequemen Lösungsweg für die langfristige Finanzierung der GKV gibt. Durch die Corona-Pandemie entstehen Kosten, die es zu finanzieren gilt. Allerdings werden ausschließlich einnahmenseitige Maßnahmen, wie radikal auch immer, kaum der Königsweg zur Lösung der Finanzierungsprobleme sein. Hier müssen auch die ausgabenintensiven Gesetze der zurückliegenden und laufenden Legislaturperioden genannt werden. Ohne weitere Anstrengungen zur Begrenzung bzw. zur Anreizverbesserung auf der Ausgabenseite wird eine stabile Lösung kaum gelingen. Dies impliziert auch, dass eine offene Debatte über weitere Vernetzungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen, über die Überwindung der Sektorengrenzen, die Förderung der Prävention oder über den Umfang des Leistungskatalogs unausweichlich erscheint.

Abstract

Corona Pandemic shows that Germany largely has a resilient health care system, in an international comparison as well. To finance Corona related costs the federal government intends to increase taxes that are paid into the health care fund. This seems to be suitable because Corona related costs are mainly not covered by basic health insurance (tests, protective clothing, vaccination externalities) and the scope for increasing the contribution rate is limited as regards to negative employment effects (payroll-related costs).

Leeway for tax increases is also limited, if the government does not intend to only charge high earners, which would be counterproductive with respect to growth and employment. Below the line, public debt will increase which gives cause for concern under sustainability aspects. A more balanced burden would also take benefit cuts into account so that all generations could contribute to the bill. No simple solution to be seen.



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Article published online:
23 November 2020

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