Suchttherapie 2022; 23(01): 7-9
DOI: 10.1055/a-1295-7145
Drogen-Steckbrief

Opium

Norbert Scherbaum

Substanz

Rohopium wird aus dem Saft, der durch Ritzen aus den unreifen Kapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) hervortritt, gewonnen ([Abb. 2]). Opium war im alten Ägypten und im alten Orient bereits bekannt. In der griechisch-römischen Antike wurde es medizinisch angewendet. Möglicherweise enthielt ein in der Odyssee von Homer beschriebener Saft („Nepenthes“), mit dessen Hilfe Trauer und Angst gelindert werden, unter anderem auch Opium. Opiumpfeifen wurden schon 1200 v. Chr. abgebildet und in früheren Kulturen lassen sich eine Menge Referenzen über die Anwendungsmöglichkeiten und Heilwirkungen von Opium finden.

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Abb. 1 Strukturformel des Morphins, dem wichtigsten psychotropen Wirkstoff des Opiums, Anwendungsarten und handelsübliche Formen.
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Abb. 2 Getrocknete Samenkapseln des Schlafmohns (Mitte), Rohopium im Block (links) und Rauchopium in Stäbchenform (rechts).

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Verwendung in der Medizin

In der griechisch-römischen Antike wurde Opium medizinisch, z.B. zur Schmerzstillung und als Einschlafhilfe verwendet. Diese Tradition wurde dann in Europa durch die Wirren der Völkerwanderung unterbrochen. Hier wurde Opium erst wieder populär, als die Kreuzritter es zusammen mit Seidenstoffen, Gewürzen und Seife aus dem Orient mitbrachten. In der Renaissance wurde Opium sehr viel benutzt. Paracelsus (1493–1541), ein Arzt der frühen Neuzeit, entwickelte Laudanum, eine Trink-Mixtur unter anderem aus Opium. Insgesamt wurde Opium als Heilmittel wie auch zur Beeinflussung der Stimmung seit historisch fassbaren Zeitaltern verwendet.


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Verwendung als Droge

1773 führten englische Kaufleute erstmals Opium, das in Indien, einer englischen Kolonie, produziert wurde, nach China ein. Von dem Ertrag kauften die Engländer insbesondere chinesischen Tee und andere in Europa beliebte Luxuswaren. In der Folgezeit entwickelte sich eine epidemische Opiumabhängigkeit in China. Als die chinesische Regierung versuchte, mit Einfuhrbeschränkungen für Opium des Problems Herr zu werden, erzwangen die Engländer in den sogenannten Opiumkriegen mit Waffengewalt die fortgesetzte Lieferung nach China (Erster Opiumkrieg 1839–42). Bei Machtantritt der Kommunisten in China (1949) sollen 10–20 Mio. Chinesen opiumabhängig gewesen sein.

Parallel nahm allerdings auch in Europa der Konsum von Opium bzw. Laudanum deutlich zu. Dies betraf insbesondere den massenhaften Konsum in England, das als Kolonialmacht einfachen Zugang zu Opium hatte. Für englische Arbeiter soll im 19. Jahrhundert Laudanum preiswerter gewesen sein als Gin. Diente der Opiumkonsum in der Arbeiterschaft der Linderung der Mühsal schwer erträglicher Lebens- und Arbeitsverhältnisse, wurde Opium von der höheren Gesellschaft als Heilmittel mit breiter Indikation eingenommen. Wie bei der heutigen Einnahme von opiathaltigen Schmerzmitteln dürften hierbei zum einen nachvollziehbare medizinische Indikationen bestanden haben, zum anderen dürfte die Manipulation des seelischen Befindens der eigentliche Grund der Einnahme gewesen sein. Im 19. Jahrhundert wurde zudem die Opiumkur zur Behandlung depressiver Erkrankungen entwickelt, eine der ersten systematisch beschriebenen psychopharmakologischen Therapien.

Unter den bedeutenden Schriftstellern des 19. und 20. Jahrhunderts finden sich Opiumkonsumenten und -abhängige, wie z.B. Edgar Allan Poe, Samuel Coleridge, Klaus Mann und Jean Cocteau. Lesenswert bis heute sind die „Bekenntnisse eines englischen Opiumessers“ von Thomas de Quincey (1785–1859). Dieser beschreibt darin eindrücklich die Entwicklung seiner Opiumabhängigkeit, die z. T. überwältigenden psychotropen Wirkungen des Opiums und seine verzweifelten Versuche, den Opiumkonsum wieder unter Kontrolle zu bekommen. Übrigens gehören in seiner Beschreibung zu den psychotropen Wirkungen auch visionäre und traumartige Erlebnisse, eine Wirkung, die wir heute nicht mehr mit der Einnahme von Opiaten in Verbindung bringen würden. Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Entwicklung von internationalen Abkommen und von Gesetzen zur Eindämmung der Verfügbarkeit von Opium.

Die Aufnahme des Opiums erfolgt meist inhalativ (z.B. mittels Opiumpfeife) oder oral (z.B. Opiumtee). Die epidemiologische Bedeutung von Opium für das Problem der Opiatabhängigkeit in Deutschland ist sehr gering. Hierzulande steht bei Abhängigen der Gebrauch von Heroin und teilweise von medizinischen Opioiden weit im Vordergrund. Allenfalls unter Bewohnern von Deutschland mit Migrationshintergrund, z.B. aus dem Iran, gibt es eine gewisse Verbreitung des Opiumkonsums.


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Wirkstoffe

Gemäß seiner Gewinnung aus pflanzlichem Material (s.u.) handelt es sich bei Opium um keinen einzelnen Wirkstoff. Vielmehr sind im Opium etwa 40 verschiedene Alkaloide enthalten, z.B. Morphin, Papaverin und Codein. Hauptwirkstoff ist das Morphin, das Anfang des 19. Jahrhunderts vom deutschen Apotheker Sertürner erstmals isoliert wurde. Heroin ist wiederum acetyliertes Morphin (Diacetylmorphin). Durch diese chemische Veränderung passiert Heroin leichter die Blut-Hirn-Schranke als Morphin.


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Anwendungsweise

Opium wird meist in besonderen Opiumpfeifen geraucht. Diese Pfeifen erlauben das Erhitzen von Opium bis zur Rauchentwicklung, ohne dass das Opium direkt angezündet werden muss. Eine modernere Version ist die Erhitzung von Aluminiumfolie von unten, verbunden mit dem Aufsaugen der Opiumdämpfe durch ein Rohr oder einen Strohhalm („chasing the dragon“ oder Blechrauchen).

Opium kann auch gegessen oder als Teezubereitung getrunken werden. Der bittere Geschmack hält jedoch viele Benutzer davon ab. Eine intravenöse Injektion würde durch die verunreinigten Pflanzenteilchen eine erhebliche Bakterienstreuung und Embolien (kleine Blutgerinnsel) erzeugen und wäre potenziell lebensgefährlich.


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Wirkung

Akute psychische Wirkung

Die Wirkung von Opium ist dosisabhängig. Bei oraler Zufuhr (Essen, Trinken) soll die Wirkung stärker sein als beim Opiumrauchen. Opium dämpft den Antrieb, z.B. zu reden oder sich zu bewegen. Im Rausch ist der Konsument in euphorisch-heiterer Stimmung. Berichtet wird auch über traumhaft-visionäres Erleben. Der Opiumrausch hält über Stunden an.


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Akute körperliche Wirkung

Begleiterscheinungen des Opiumrausches sind

  • Pupillenverengung (Miosis),

  • Juckreiz,

  • Dämpfung des Hustenreizes,

  • langsamer Herzschlag (Bradykardie),

  • Appetitlosigkeit,

  • Gefahr der Atemdepression (Minderung des Atemantriebs bis hin zur Atemlähmung),

  • Verstopfung,

  • Miktionsstörungen (Schwierigkeit, Wasser zu lassen) und

  • relativ häufig Übelkeit mit Erbrechen.

Bei Überdosierungen drohen Atemlähmungen und Herz-Kreislauf-Stillstand.


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Wirkungen bei chronischer Einnahme

Bei chronischer Einnahme kann sich einer Abhängigkeit von Opium entwickeln. Als Begleitsymptome werden z.B. Gewichtsverlust bei Appetitlosigkeit, Antriebsschwäche und Apathie beschrieben.

Nach aktuellen Berichten aus dem Iran ist der Opiumkonsum mit einem erhöhten Risiko verbunden, an Atemweg-, Herz-Kreislauf- sowie Krebserkrankungen zu versterben.


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Herstellung

Rohopium ist der eingetrocknete Saft aus reifen Kapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum). Nur die Fruchtkapseln der orientalischen Mohnsorten enthalten Opium, wildwachsender Feldmohn in unseren Breitengraden jedoch nicht. Die Mohnpflanzen werden auf größeren Feldern gezüchtet, um Opium zu gewinnen. Nur ein geringer Teil der Plantagen dient der legalen Herstellung von opiumhaltigen Arzneimitteln. Vielmehr werden Plantagen von Mohnpflanzen in der Regel angelegt, um den Rohstoff (Opium) für die Herstellung von Heroin für den illegalen Markt zu gewinnen

Opium wird gewonnen durch Anritzen der jungen und unreifen Fruchtkapseln der Mohnpflanze. Der austretende Saft trocknet an der Pflanze klebend in der Sonne ein. Später werden die nunmehr braun-schwarzen Opiumharze abgekratzt und gesammelt.


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Drogenscreening-Untersuchungen

Der wichtigste Wirkstoff des Opiums ist Morphin. Morphin wird in der Leber verstoffwechselt (Glukuronidierung) und hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden. Ein Teil (ca. 10–20%) verlässt mit der Galle über den Darm den Körper.

Merke

Morphin und nahe verwandte Opiate wie Codein, Dihydrocodein und Heroin erzeugen Kreuzreaktionen mit den Testfeldern für Opiate bei den Schnelltests.

Morphin lässt sich im Urin 2–4 Tage nach der letzten Einnahme nachweisen.


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Zusätzliche Informationen

Zur Verbreitung des Konsums von Opium in Deutschland fehlen epidemiologische Daten. Der Opiumkonsum ist sicherlich nachrangig im Vergleich zum Konsum von Heroin.

Morphin und Opium sowie Pflanzen und Pflanzenteile (außer Samen) des Schlafmohns (Papaver somniferum) unterliegen Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes (verschreibungsfähige Betäubungsmittel). Ausgenommen sind Zubereitungen des Opiums in der Homöopathie mit sehr niedrigen Opiumkonzentrationen. Mohnstrohkonzentrat unterliegt Anlage II des BtMG (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel).

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Das Drogentaschenbuch


Norbert Scherbaum


6. unveränderte Auflage 2019


232 S., 69 Abb.


ISBN: 9783132431829

Zitierweise für diesen Artikel

Dieses Buchkapitel wurde erstveröffentlicht in: Scherbaum N. Das Drogentaschenbuch. 6. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2019: 146−151.


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Publication History

Article published online:
07 February 2022

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