Suchttherapie 2023; 24(01): 29-35
DOI: 10.1055/a-1481-0460
Originalarbeit

Ausgestaltung und Barrieren für eine Tabakentwöhnung in Hausarztpraxen: Ergebnisse einer qualitativen Studie

Structure and Barriers for Smoking Cessation in GP Practices: Results of a Qualitative Study
Christine Kersting
1   Lehrstuhl für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Universität Witten/Herdecke
2   Professur für Primärärztliche Versorgung, Universität Witten/Herdecke
,
Gül Nohutcu
3   Institut für Hausarztmedizin, Universität Bonn
,
Klaus Weckbecker
1   Lehrstuhl für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Universität Witten/Herdecke
,
Markus Bleckwenn
4   Selbstständige Abteilung für Allgemeinmedizin, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Ziel der Studie Etwa 25% der deutschen Bevölkerung raucht. Obgleich Tabakentwöhnung eines der effektivsten Mittel zur Reduktion tabakassoziierter Folgen ist, findet sie nicht ihren Weg in die Regelversorgung. Auch in Hausarztpraxen wird sie nur vereinzelt angeboten. Diese Studie untersucht, wie Hausärztinnen und Hausärzte mit dem Thema Tabakentwöhnung umgehen und welche Faktoren die Umsetzung von Tabakentwöhnung behindern.

Methodik Es wurden leitfadengestützte Einzelinterviews mit 13 LehrärztInnen des Instituts für Hausarztmedizin in Bonn geführt. Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet und transkribiert. Anhand des Textmaterials erfolgte in MAXQDA eine inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse mit deduktiv-induktiver Kategorienbildung.

Ergebnisse Die HausärztInnen berichten verschiedene Arten, wie sie Tabakentwöhnungsmaßnahmen in der Praxis umsetzen, wobei sie kombinierte Ansätze als erfahrungsgemäß effektiv beschreiben. Nikotinersatztherapie und verschreibungspflichtige Mittel behalten sie starken Rauchern mit erfolglosen Entwöhnungsversuchen vor. Ihrer Erfahrung nach ist der Wirkstoff Vareniclin sehr wirksam und gut verträglich. Dennoch berichten die HausärztInnen einen zurückhaltenden Einsatz, da sie infolge der Warnhinweise für den Wirkstoff Bupropion auch Nebenwirkungen bei Vareniclin befürchten. Als zentrale Barrieren für Tabakentwöhnung sehen sie praxisseitigen Zeitmangel, fehlende Patientenmotivation und Kosten für medikamentöse Ansätze.

Schlussfolgerung Die befragten HausärztInnen möchten gerade ihren motivierten PatientInnen zum Rauchstopp verhelfen. Jedoch fehlt eine strukturierte Behandlung der Tabakabhängigkeit. Dadurch ist die Anzahl an Raucherinterventionen gering und wirksame Therapien werden zu selten eingesetzt. Der Aufwand einer strukturierten Behandlung müsste jedoch finanziell entlohnt werden. Zudem könnten die HausärztInnen durch den Ausbau von externen Angeboten zur Tabakentwöhnung zeitlich entlastet werden.

Abstract

Purpose About 25% of the German population suffers from smoking. Although smoking cessation is one of the most effective approaches to reduce tobacco-related consequences, it is not well implemented in basic health care. Also, in GP practices it is only offered in a handful of cases. This study examines how GPs deal with the topic of smoking cessation and which factors hamper the implementation of smoking cessation.

Methods Guided individual interviews were conducted with 13 GPs from teaching practices of the Institute of Family Medicine in Bonn. The interviews were audio-recorded and transcribed. Facilitated by MAXQDA the text document was analysed using thematic qualitative text analysis with deductive-inductive coding.

Results GPs report different ways in which they implement smoking cessation in practice, describing combined interventions as most effective in practice. Nicotine replacement therapy and drug prescribing are reserved for heavy smokers with unsuccessful attempts to quit. In their experience, varenicline is effective and well tolerated. However, GPs report that they are cautious about using varenicline as they are afraid of side effects due to the warnings for the other cessation drug bupropion. According to the GPs the main barriers for smoking cessation are a lack of time in the practice, lack of patient motivation and the costs of medication.

Conclusion The interviewed GPs concentrate on their motivated patients when applying smoking cessation. However, there is no structured treatment for nicotine addiction. As a consequence, the number of smoking interventions is low and effective therapies are rarely used. As a structured treatment is associated with a higher workload, there is a need for financial reward. In addition, GPs could be supported by providing more external smoking cessation services.

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Article published online:
27 July 2021

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