retten! 2022; 11(02): 157-160
DOI: 10.1055/a-1497-9721
Mein Einsatz

Am Boden

Daniela Erhard

Manche Einsätze lassen das Herz höherschlagen – aber nicht, weil sie so interessant oder aufregend sind. Ab und an beschleicht einen eher ein ungutes Gefühl. So auch hier.

Kommentar

von Volker Wanka Oberarzt am Institut für Anästhesiologie an der Enzkreisklinik Neuenbürg, ärztlicher und organisatorischer Leiter des dort stationierten Notarzteinsatzfahrzeugs und Mitherausgeber von retten!

Die Entscheidung des Notfallsanitäters zu Beginn des Einsatzes, keine weiteren Rettungsmittel nachzufordern, ist absolut verständlich: Erstens ist unklar, ob es tatsächlich einen zweiten Patienten gibt, zweitens sind die Rettungsfahrzeuge im Umkreis alle im Einsatz und drittens ist die Besatzung zu dritt auf dem RTW, sodass man ggf. auch zwei Patienten initial betreuen könnte – zumal auch noch Einsatzkräfte der Feuerwehr vor Ort sind. Trotzdem ist der Notfallsanitäter anfangs im Zwiespalt: Soll er einen zweiten RTW nachfordern oder nicht?

Derartige Situationen erleben wir alle regelmäßig im Rettungsdienstalltag. Eine kleine Hilfestellung für die Entscheidung kann das Abarbeiten einer kleinen Checkliste sein:

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass weitere therapiebedürftige Patienten am Einsatzort sind?

  • Sind weitere Rettungsmittel aktuell frei?

  • Wie lange benötigen weitere Helfer bis zum Einsatzort?

  • Wie sind die Umgebungsbedingungen, sind die Patienten gut zugänglich?

  • Sind weitere Helfer vor Ort?

Dennoch bleibt es immer eine Einzelfallentscheidung unter Abwägung aller Einsatzvariablen, die möglichst frühzeitig getroffen werden sollte. Eskalieren oder Deeskalieren bleibt allerdings im Verlauf jedes Einsatzes immer eine Option.

Beim geschilderten Einsatz wird im Verlauf ein zweiter RTW nachgefordert, was einsatztechnisch die logische Konsequenz darstellt, da ein zweiter therapiebedürftiger Patient gefunden wird. Da keiner der Eheleute vital gefährdet ist, kann die Lage unproblematisch abgearbeitet werden. Schwierig wäre es bei zwei Patienten in kritischem Zustand geworden – aber selbst dann wäre genug Manpower vor Ort gewesen, um die Zeit bis zum Eintreffen weiterer Rettungskräfte zu überbrücken. Folglich hat der Notfallsanitäter die richtige Entscheidung getroffen.

Ein weiteres Lob verdient er sich durch sein umsichtiges Handeln in Bezug auf den Eigenschutz der Retter: Da ihm die Lage komisch vorkommt, lässt er zuerst abklären, ob eventuell giftige Dämpfe oder Gase im Raum vorhanden sein könnten: Es wäre nicht der erste Einsatz, bei dem die Rettungskräfte (etwa durch eine defekte Heizungsanlage) eine Kohlenmonoxid-Intoxikation erleiden und in deren Folge selbst zu Schaden kommen. Eigenschutz geht vor Fremdschutz – das gilt generell und unabdingbar bei jedem Einsatz.

Ebenso vorbildlich ist das Abhalten von einem 10-für-10: Bei unklaren oder unübersichtlichen Lagen ist es immer förderlich, wenn das Team kurz innehält und alle Informationen zusammenfasst und austauscht. Das hilft den Einsatz zu strukturieren. Häufig hat auch eines der Teammitglieder noch eine Idee, auf die bis dahin noch keiner gekommen ist. Auch die Nachbesprechung im Team ist vorbildlich: Haben wir richtig gehandelt oder gab es andere Optionen? Was war gut, was war schlecht? Durch diesen offenen Austausch können alle Beteiligten für kommende Einsätze etwas mitnehmen.



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Article published online:
12 April 2022

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