Aktuelle Kardiologie 2022; 11(04): 369-370
DOI: 10.1055/a-1786-0508
Leserbrief

Antwort auf den Leserbrief „Kritik am Artikel zu 5G: Aussagen entsprechen nicht dem Stand der Forschung“

Martin Röösli
1   Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, Allschwil, Switzerland
2   Philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät, Universität Basel, Basel, Switzerland
,
Omar Hahad
3   Zentrum für Kardiologie, Kardiologie I, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Germany (Ringgold ID: RIN39068)
4   Standort Rhein-Main, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) e.V., Mainz, Germany
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Stefan Dongus
1   Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, Allschwil, Switzerland
2   Philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät, Universität Basel, Basel, Switzerland
,
Nicolas Loizeau
2   Philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät, Universität Basel, Basel, Switzerland
1   Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, Allschwil, Switzerland
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Andreas Daiber
3   Zentrum für Kardiologie, Kardiologie I, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Germany (Ringgold ID: RIN39068)
4   Standort Rhein-Main, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) e.V., Mainz, Germany
,
Thomas Münzel
3   Zentrum für Kardiologie, Kardiologie I, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Germany (Ringgold ID: RIN39068)
4   Standort Rhein-Main, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) e.V., Mainz, Germany
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Marloes Eeftens
1   Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, Allschwil, Switzerland
2   Philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät, Universität Basel, Basel, Switzerland
› Author Affiliations

Die Ärzte vom Arbeitskreis digitale Medien Stuttgart und der Verein diagnose:funk kritisieren unseren Artikel mit einer Reihe rhetorischer Manöver: Strohmann-Argumente, Rosinenpickerei, Diskreditierung und Intransparenz bezüglich der eigenen Interessenkonflikte.

1. Strohmann-Argumente: Die Hauptaussagen unseres Artikels werden verzerrt und undifferenziert wiedergegeben und wirken deshalb irreführend einseitig. Weder schreiben wir, dass mit 5G die Gesamtexposition nicht zunehme, noch steht das Wort „unbedenklich“ in unserem Artikel. Unsere Hauptaussagen sind: i) im Durchschnitt stammt der größte Teil der Exposition vom eigenen Mobiltelefon; ii) bei einer Verdichtung der Mobilfunknetze strahlt das eigene Mobiltelefon weniger; iii) unterhalb der Expositionsrichtwerte konnten bisher keine gesundheitlichen Auswirkungen konsistent nachgewiesen werden.

2. Rosinenpickerei: Die auf elektromagnetische Felder (EMF) spezialisierte Literaturdatenbank EMF-Portal listet 4338 experimentelle oder epidemiologische Originalstudien zu hochfrequenten (HF) EMF auf [1]. Daraus werden in der Korrespondenz einige Studien selektiv zitiert und deren Inhalt verzerrt wiedergegeben. So steht in keiner der zitierten Arbeiten zum oxidativen Stress, dass die gefundenen biologischen Effekte nachweislich die Gesundheit schädigen. Beim zitierten STOA-Bericht [2] handelt es sich um eine nicht systematisch durchgeführte Übersichtsarbeit von einer Einzelautorin, welche nicht durch Experten begutachtet wurde. Die Schlussfolgerungen stehen nicht im Einklang mit den Berichten von internationalen Expertengremien. So schreibt die Weltgesundheitsorganisation WHO [3]: „To date, and after much research performed, no adverse health effect has been causally linked with exposure to wireless technologies.”. Eine kürzlich durchgeführte Evaluation der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) kommt zum Schluss [4]: “There is insufficient evidence to support a causal association between RFR exposure and tumorigenesis.” Und die deutsche Strahlenschutzkommission folgert für hochfrequente EMF bis ca. 7 GHz [5], „dass derzeit keine belastbaren Hinweise für gesundheitliche Risiken bei Expositionen von Personen unterhalb der in Deutschland gültigen Grenzwertvorgaben für Sendeanlagen und Endgeräte vorliegen.“ Diese Aufzählung ließe sich mit weiteren Expertenberichten von nationalen Strahlenschutzbehörden beliebig verlängern [6].

3. Diskreditierung: ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) hat keine Interessenkonflikte und betreibt kein Lobbying [7] und auch der Erstautor des Artikels hat keine Nähe zur Mobilfunkindustrie wie fälschlicherweise unterstellt. Die gesamte EMF-Forschung von Martin Röösli wird mit öffentlichen Mitteln oder über gemeinnützige Stiftungen finanziert. Es entspricht dem Verursacherprinzip, dass die Mobilfunkindustrie Ressourcen für die Erforschung potenzieller Gesundheitsrisiken bereitstellt, wie dies bei der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation der Fall ist. Eine solche Finanzierung ist potenziell heikel. Darum überwachen unabhängige Forschende unentgeltlich die Unabhängigkeit der Stiftung von den Geldgebern. Meine diesbezügliche Rolle bis 2018 habe ich im Artikel transparent deklariert. Es ist empirisch belegt, dass solche Firewalls bei der Studienfinanzierung, bei insgesamt besserer Studienqualität, keinen Bias bei den Studienergebnissen nach sich ziehen [8] [9].

4. Wir begrüßen, dass sich einige Ärzte im Arbeitskreis digitale Medien Stuttgart zusammengeschlossen haben und mögliche gesundheitliche Auswirkungen der Digitalisierung kritisch thematisieren. Unabhängig von den physikalischen Emissionen hat die Digitalisierung tiefgreifende Veränderungen im Alltag zur Folge, was naheliegend die Gesundheit positiv und negativ beeinflussen kann. Es ist zu erwarten, dass dies auch bei neuen 5G-Applikationen der Fall sein wird. Irritierend ist, dass der Verein diagnose:funk seine Finanzierungsquellen weder in der Korrespondenz noch auf seiner Website offenlegt. Gemäß Website werden seine umfangreichen Aktivitäten über Spenden finanziert. Dabei fällt im Netzwerk von diagnose:funk die Nähe zur sogenannten Baubiologie auf. Der erste Vorsitzende bietet kommerzielle Dienstleistungen im Bereich EMF an, beispielsweise Untersuchungen der elektromagnetischen Strahlungsbelastung. Dies erklärt plausibel die starke Fokussierung von diagnose:funk auf die physikalischen Emissionen der Mobilfunktechnologie und ist als Interessenkonflikt zu werten.



Publication History

Article published online:
08 August 2022

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