PSYCH up2date 2022; 16(06): 473-489
DOI: 10.1055/a-1851-3700
Organische psychische Störungen

Neuropsychiatrische Störungen bei Chorea Huntington

Detlef Wietelmann

Die Chorea Huntington ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung, die monogenetisch autosomal dominant vererbt wird und deren Diagnose anhand der CAG-Trinukleotidzahl meistens eindeutig präklinisch gestellt werden kann. Bislang ist der Verlauf trotz sehr spannender Therapieansätze, die eine Reduktion des Genprodukts anstreben, nicht aufzuhalten. Antidepressiva und hochpotente Neuroleptika sind die am häufigsten eingesetzten Medikamente.

Kernaussagen
  • Neuropsychiatrische Störungen bei der HD sind sehr häufig, treten im gesamten Krankheitsverlauf auf, betreffen viele Domänen (z.B. Kognition, Stimmung, psychotische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten) und beginnen oft Jahre vor den ersten motorischen Symptomen.

  • Neuropsychiatrische Syndrome lassen sich klinisch nicht ausreichend sicher von den primären psychiatrischen Störungen unterscheiden.

  • Sie treten gehäuft komorbide auf und sind mit einer geringeren Funktionalität der Betroffenen und höheren Belastung von Angehörigen und Pflegenden assoziiert.

  • Suizidalität ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich häufiger und sollte im gesamten Krankheitsverlauf und besonders zeitnah zur Diagnosestellung exploriert werden.

  • Neuropsychiatrische Syndrome können pharmakogen, z.B. durch die gegen die Chorea eingesetzten Medikamente, ausgelöst werden.

  • Sehr typisch sind die fehlende Krankheitseinsicht und geringe Absprachefähigkeit, die den Umgang mit den Betroffenen erheblich erschweren.

  • Die psychopharmakologische Behandlung entspricht aufgrund der unzureichenden Datenlage den Empfehlungen bei primären psychiatrischen Störungen.

  • Die Indikation und Dosis dopamin-antagonistischer Medikamente, z.B. bei Psychose oder ausgeprägter Irritabilität, sollte regelmäßig überprüft werden, da im Krankheitsverlauf die Wahrscheinlichkeit extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen zunimmt und spätere Stadien durch ein zunehmend akinetisch-rigides Syndrom mit Immobilität gekennzeichnet sind.

  • Nichtpharmakologische Interventionen werden durch Experten empfohlen, aber bislang nicht ausreichend durch Daten gestützt.



Publication History

Article published online:
11 November 2022

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