Sprache · Stimme · Gehör 2022; 46(04): 202-204
DOI: 10.1055/a-1893-7903
Neue Impulse

Rhythmustherapie bei Dysarthrie – Auswirkungen des Rhythmic Speech Cueing auf die Sprechverständlichkeit

Rhythmic Speech Cueing for Therapy of Dysarthria
Jana König
1   Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Universität Bielefeld
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Das Rhythmic Speech Cueing (RSC) ist ein innovativer Ansatz für die Dysarthrietherapie, bei dem das Sprechen zu einer auditiven Rhythmusvorgabe trainiert wird, um die Verständlichkeit von Patient*innen zu verbessern [1]. Die Beteiligung motorischer Hirnareale und die zeitliche Strukturvorgabe durch den Rhythmus sind die unterstützenden Wirkfaktoren, die für die sprachtherapeutische Behandlung nutzbar werden sollen.

Fazit

Die Einzelfallevaluation zeigt das Potenzial des RSC, die Verständlichkeit bei Patient*innen mit rigid-hypokinetischer Dysarthrie temporär zu verbessern. Es ist anzunehmen, dass die Initiierung und Ausführung von Sprechbewegungen durch die Beteiligung motorischer Gehirnareale bei der Rhythmusverarbeitung profitieren. Das rhythmische Sprechen bietet außerdem mehr Zeit für die motorische Planung, wodurch sich eine präzisere Artikulation einstellen kann. Die Therapiemöglichkeiten scheinen allerdings begrenzt aufgrund des geringen Transfers in die Alltagssprache, der sich anhand des „Task-dependent models“ nach Ziegler [5] erklären lässt. Dem Modell folgend ist die Übertragung der künstlichen und explizit zu übenden Sprechweise auf natürliche, spontane Sprechvorgänge eine kaum überwindbare Hürde. Diese Herausforderung wird empirisch deutlich an der geringeren Verständlichkeit der Spontansprache im Vergleich zum stärkeren Therapieeffekt auf die Übungssätze. Allerdings zeigt die Einzelfallstudie, dass durch RSC kurzfristige Verständlichkeitsverbesserungen erzielt werden. Somit bietet die Therapie insbesondere für progredient erkrankte Patient*innen eine positive Selbstwirksamkeitserfahrung und eine Behandlungsperspektive, die sich förderlich auf die (kommunikationsbezogene) Lebensqualität auswirken kann. Rhythmus stellt daher eine Ressource für die Sprachtherapie dar, deren Nutzen praktisch und empirisch weiter erprobt und evaluiert werden sollte.



Publication History

Article published online:
29 November 2022

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  • Literatur

  • 1 Mainka S, Mallien G. Rhythmic Speech Cueing (RSC). Thaut M, Hoemberg V. Handbook of Neurologic Music Therapy. Oxford: Oxford University Press; 2014: 150-160
  • 2 Fujioka T, Trainor L, Large E. et al. Internalized Timing of Isochronous Sounds is represented in neuromagnetic beta oscillations. Journal of Neuroscience 2012; 32: 1791-1802
  • 3 Radloff S. Neuronale Korrelate der Rhythmusverarbeitung. Berlin: Technische Universität; 2019
  • 4 Dalla Bella S, Benoit CE, Farrugia N. et al. Effects of musically cued gait training in Parkinson's disease: Beyond a motor benefit. Annals of the New York Academy of Sciences 2015; 1337: 77-83
  • 5 Ziegler W. Speech motor control is task-specific. Evidence from dysarthria and apraxia of speech. Aphasiology 2003; 17: 3-36
  • 6 Ziegler W, Vogel M. Dysarthrie. Verstehen – untersuchen – behandeln. Stuttgart: Thieme; 2010