Im OP 2023; 13(01): 49-50
DOI: 10.1055/a-1938-2990
Buchbesprechungen

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Neue Herausforderungen in der Krankenpflegeausbildung im 21. Jahrhundert

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Herteux A. Neue Herausforderungen in der Krankenpflegeausbildung im 21. Jahrhundert – Ausbildungsergänzungen für das Zeitalter des kollektiven Individualismus. 1. Aufl. Karbach: Erich von Werner Verlag; 2022. ISBN 978–3–94–862147–6, 230 S., 49,99 €

Laut aktuellen Studien werden im Jahr 2022 bis zu 40 Prozent der Ausbildungsstellen nicht mehr besetzt. Kein neuer, aber ein wachsender Trend, und die Folge ist ein akuter Fachkräftemangel, der sich immer weiter zuspitzen wird. Von der Pflege über das Handwerk bis zu den Verkaufsberufen – die Lücken sind überall absehbar.

Eines der zentralen Probleme ist dabei, dass besagter Fachkräftemangel immer noch zu stark aus dem Blickwinkel der Nachfrage, des Bedarfs an Arbeitskräften, betrachtetwird, weniger aus dem der tatsächlichen oder potenziellen Zielgruppe. Ein Ansatz, der oft verkennt, dass das Individuum heute, getragen von den neuen Medien, einem völlig anderem Reizrahmen, einer sich dynamisch wandelnden Wirklichkeit ausgesetzt ist. Onlinezeiten von mehreren Stunden am Tag sind inzwischen ebenso Normalität, wie die Konditionierung auf verhaltenskapitalistische Belohnungssysteme, die unmittelbar wirken. Gerade der letzte Punkt findet bislang kaum Aufmerksamkeit. Eine Entwicklung, die sich durch die Pandemie noch beschleunigt haben sollte.

All das wirkt sich prägend auf Persönlichkeitsentwicklung, Verhalten oder die Kompetenzen des Einzelnen aus. Aus dem Homo sapiens ist in vielen Fällen ein Homo stimulus geworden. Dieser Homo stimulus ist für eine Ausbildung allerdings weitaus schwerer zu motivieren als seine Vorgänger. Methoden, die einst Erfolg versprachen, geraten an ihre Grenzen, da sie häufig nicht berücksichtigen, dass eine Neukonditionierung des Individuums vorliegt, die wissenschaftlich in vielen Fällen noch nicht grundlegend erforscht ist und aktuell auch in den Medien kaum eine Rolle spielt. Und doch existiert der Homo stimulus und es muss Tag für Tag mit ihm umgegangen werden.

Tatsächlich sind die aktuellen Formen der Ausbildungen auf den individualisierten Homo stimulus, der oft König in der eigenen Welt ist, nicht selten nur unzureichend vorbereitet. Um den Bedarf an Fachkräften für die Zukunft sichern zu können, erscheint es daher notwendig, zu untersuchen, mit welchen konkreten Einflüssen Auszubildende in der Pflege im 21. Jahrhundert konfrontiert werden, wie diese sich auf Persönlichkeit, Verhalten und Kompetenzen auswirken und wie mit ihnen umzugehen ist.

Das Buch bemüht sich darum, primär individuelle und gesellschaftliche Veränderungen der Gegenwart und der nahen Zukunft für die Pflegeausbildung darzulegen, die Folgen zu betrachten, und sekundär, erste Anpassungsvorschläge wie ein Pflegeausbildungsbelohnungssystem (PABS) zu skizzieren, um auf ein geändertes Auszubildendenverhalten sowie variierende Kompetenzen reagieren zu können. Die Ergebnisse zeigen eine klare Tendenz auf, die eine sofortigen Handlungsbedarf fordert.

Am Ende mögen Ausbildungsbelohnungssysteme (ABS), die ganz gezielt die Konditionierung junger Menschen aufgreifen, nur ein Baustein sein, um den Fachkräftemangel aktiv zu bekämpfen – allerdings ein zentraler. Wer könnte es sich leisten, diese zu ignorieren?



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Article published online:
04 January 2023

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