Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(01/02): 10
DOI: 10.1055/a-1938-7306
Aktuell publiziert

Kommentar zu „Diabetes Typ 2: Telemedizinische Intervention verbessert Outcome“

In den letzten Jahren sind die Zahlen an Diabeteserkrankungen deutlich angestiegen. Dabei spielt der Typ-2-Diabetes eine wesentliche Rolle, da er durch die kontinuierlich steigenden Raten an Übergewicht und Adipositas ausgelöst wird. Die sinnvollste therapeutische Option wäre daher eine konsequente Änderung des Lebensstils. Dies wurde sehr eindrücklich durch die DiRECT-Studie belegt [1] [2], die zeigen konnte, dass trotz einer Diabetesdauer von 4 Jahren eine radikale Gewichtsreduktion in einem sehr hohen Prozentsatz zu klinischen Remissionen des Typ-2-Diabetes führt. Die aktuelle Studie zeigt nun, dass bei einem schlecht eingestellten Typ-2-Diabetes, der schon im Mittel 12 Jahre besteht, durch eine intensive Betreuung mittels Telemedizin eine deutliche Besserung des diabetischen Stoffwechsellage möglich ist. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass sich durch die intensive Betreuung auch Parameter der emotionalen Belastung gebessert haben. Wesentlicher Inhalt der Intervention war eine Motivation zur Lebensstiländerung. Das in Deutschland durchgeführte und bereits im Jahr 2017 publizierte Telemedizinische Lifestyle Interventions Programm (TeLiPro) hat im Rahmen einer randomisierten Studie fast identische Ergebnisse gezeigt [3]. Aktuell wird dieses Verfahren im Rahmen des GBA Innovationsfonds durch die AOK Rheinland-Hamburg getestet [4].

Der Erfolg von solchen telemedizinischen Ansätzen bei Typ-2-Diabetes liegt daran, dass durch das intensivere Monitoring die Betroffenen an ihre Erkrankung im Alltag erinnert werden und so stärker motiviert werden, am Lebensstil Änderungen durchzuführen. Auch wenn Personen mit Typ-2-Diabetes durch das DMP-Programm intensiver betreut werden, so macht dies pro Jahr vielleicht 4–5 Stunden medizinischer Aufmerksamkeit aus. Der Lebensstil macht pro Jahr aber – wenn man von 8 Stunden Schlaf ausgeht – 5840 Stunden aus. Die telemedizinische Betreuung hilft, dieses krasse Missverhältnis auszugleichen. An solchen Therapieansätzen wird unser Gesundheitssystem in den nächsten Jahren nicht vorbeikommen. In der aktuellen Studie lagen die Tagestherapiekosten bei 4$, die Kosten für innovative Medikamente wie SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Agonisten, die bei schlecht eingestelltem Typ-2-Diabetes meist in Kombination eingesetzt werden, liegen deutlich höher. Wenn diese Medikamente so eingesetzt würden wie es die Nationalen Leitlinien vorsehen, würden diese schon heute die Gesundheitskassen sprengen. Der gerade im September durch die EU-Kommission zugelassene GIP-/GLP-1-Rezeptor-Agonisten Tirzepatid, der im Vergleich zu den GLP-1-Agonisten eine deutlich stärkere Wirkung auf den HbA1c und das Gewicht hat, wird sicher auch nicht zum Selbstkostenpreis auf den Markt kommen und den finanziellen Druck weiter erhöhen.



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Article published online:
02 January 2023

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