Osteologie 2025; 34(04): 244-245
DOI: 10.1055/a-2692-0882
Editorial

Editorial

Authors

  • Franz Jakob

Liebe Leserinnen und Leser der Osteologie,

Es gibt mehrere Gründe mich in dieser Ausgabe unserer Zeitschrift wieder einmal an Sie zu wenden. Das In-Kraft-Treten des neuen Vertrages zwischen den wissenschaftlichen Gesellschaften und dem Thieme Verlag ist einer der Gründe. Die Rolle und die Stellung unserer Zeitschrift Osteologie ist in mehrfacher Hinsicht herausfordernd und nicht leicht einzuordnen. Unser Fach hat einen stark universitär/akademischen Hintergrund und ist damit der Wissenschaft sehr verbunden. Das bringt es mit sich, dass junge aufstrebende Nachwuchs-WissenschaftlerInnen den Anspruch der bestmöglichen Karriere-Förderung an Veröffentlichungs-Tätigkeit haben. Der Impakt wissenschaftlichen Arbeitens determiniert in hohem Ausmaß den eigenen Karriereweg. Dafür sind primär internationale Zeitschriften mit hohem Impakt und internationaler Sicht- und Verfügbarkeit von Interesse. Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung erreichen aber erfreulicherweise heute häufig sehr schnell die Translation in die Routineversorgung. Das bringt Wissenschaft und breite Patientenversorgung auf allen Ebenen näher zusammen, das Tal zwischen Erkenntnis und Umsetzung – das so genannte „valley of death“ wird erfreulicherweise immer effektiver überbrückt, Wissenschaft arbeitet nahe am Patienten und Versorgung wird wissenschaftlicher. Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist die Entstehung hochwertiger Leitlinien aus wissenschaftlichen Erkenntnissen heraus, der Übergang von der Eminenz zur Evidenz als Grundlage von Versorgungsstandards.

Wir folgen mit unserer Zeitschrift einem breit angelegten Anspruch, der möglichst allen Alters- und Berufsgruppen ein hochwertiges Informations- und Publikationsorgan sein will. Wir können sehr selbstbewusst konstatieren, dass unsere Themenhefte mit den Übersichten zum State-of-the-Art Information auf dem neuesten Stand darstellen und sich auch international nicht verstecken müssen. Der neue Vertrag der wissenschaftlichen Gesellschaften mit dem Thieme Verlag beinhaltet, dass wir einen Teil unserer Übersichtsarbeiten – vorzugsweise diejenigen in englischer Sprache – als „Free Access“ Artikel veröffentlichen können. Gegen finanzielle Leistung besteht selbstverständlich auch die Möglichkeit der „Open Access“ Publikation. Dies wird die Sichtbarkeit der osteologischen Publikationen des deutschsprachigen Raums deutlich anheben und damit den Bedürfnissen junger WissenschaftlerInnen entgegenkommen.

Die Welt der „Impact Factors“ ändert sich zudem derzeit. Die offensive Konkurrenz zwischen den Wissenschaftsmächten USA und China ist ein Schauplatz davon. Während sich hier hintergründig die Fragen von Macht und Deutungshoheit für wissenschaftlichen Impakt stellen, entwickeln sich immer mehr Strömungen, die nach so genannten „alternative measures“ suchen, wie die immer leichter erfassbaren Nennungen wissenschaftlicher Inhalte in „Social Media“ Kanälen, die man mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz quantifizieren und werten kann und womit man in Zukunft einen messbaren Faktor für die gesellschaftliche Bedeutung schaffen könnte. Wir beobachten auch das mit Interesse.

WissenschaftlerInnen und damit in meinen Augen auch ÄrztInnen aller Versorgungsstufen befinden sich naturgemäß auf einer ständigen Suche nach der Wahrheit auf der Basis von Fakten zum Wohle der Menschen. Besonders in den USA, aber auch weltweit, entstehen nun Tendenzen, Wahrheit und Fakten nach eigenem Gusto und Vorteil zu interpretieren, dort wo Fakten nicht opportun scheinen, neue alternative Fakten – nicht selten basierend auf platten Lügen – zu schaffen und als Standards und Wahrheit autoritär festzulegen. Diese Entwicklungen reichen leider bereits in die Ebenen der medizinischen Versorgung hinein, man denke nur an das Feld der Impfungen oder die Streichung global wirksamer Versorgungsprogramme. Nicht genug damit, es werden auch Investitionen und Stipendien der öffentlichen Hand für Forschungsprogramme zunehmend politisch gesäubert und die Freiheit und Ergebnis-Offenheit der Forschung wird zunehmend eingeengt und unterdrückt. Ein krasses Beispiel dafür ist die „Säuberung“ von Forschungsprogrammen der National Science Foundation NSF von Stipendien und Forschungsaktivitäten (teilweise laufende und/oder bereits genehmigte Programme in Milliardenhöhe), die sich mit „diversity, equity, and inclusion (DEI) efforts and climate change research“ beschäftigen (neben vielen anderen Kommentaren z.B. im Journal „Science“ vom 25.9.2025 berichtet und kommentiert: „The White House has ordered the $9 billion agency to abandon long-running programs, terminate more than 2000 grants, and reverse decisions on what to fund next based on the administration’s political agenda, which excludes diversity, equity, and inclusion (DEI) efforts and climate change research“). Wir sind in unseren DACH-Staaten nicht gefeit vor solchen Tendenzen, zumal in der Vergangenheit mit schöner Regelmäßigkeit und kurzer Verzögerung Entwicklungen den Atlantik überquerten. Die besten Möglichkeiten, sich vor Verkürzungen, Verfälschungen und Diktaten bei der Wahrheitssuche zu schützen, sind die Wahrung der Unabhängigkeit der Forschung und die präventive Entwicklung und Pflege von Instrumenten der Objektivierung von Fakten wie beispielsweise den Peer Review. Unsere Zeitschrift Osteologie ist beständig aktiv unter Einsatz des professionellen Tools ScholarOne ein möglichst einfluss- und manipulationsfreies System des „Peer Review“ zu nutzen und mit Inhalt zu füllen und leistet damit ihren Beitrag zur bestmöglichen Objektivität bei der kontinuierlichen Arbeit an der Definition von Wahrheit auf der Basis von Fakten. In diesem Zusammenhang sind besonders auch die Chancen und Risiken des Einsatzes künstlicher Intelligenz von enormer Bedeutung. Dieses Themenheft und Programminhalte der Osteologie 2026 geben diesen Fragen Raum.

Wir sind allen UnterstützerInnen, AutorInnen und GutachterInnen dafür außerordentlich dankbar, sie leisten großartige Arbeit in diesem Sinne der Erhaltung der Unabhängigkeit der Forschung und Wahrheitsfindung. Ich freue mich auch sehr über die konsistente Langzeit-Unterstützung aller KollegInnen in der Osteologie durch Ihr Abonnement und Ihre Mitgliedschaft in den wissenschaftlichen Gesellschaften. Lassen Sie uns gemeinsam dabeibleiben, eine möglichst gute Wahrheitssuche zu leben, die sich dynamisch angleicht an die immer wieder erneuerte Plattform verfügbarer Fakten und Evidenzen aus Wissenschaft und Forschung und sich nicht verbieten lässt, die Suche frei und unabhängig zu gestalten.

Mit herzlichem Gruß Ihr Franz Jakob

Editor-in-Chief Osteologie



Publication History

Article published online:
14 November 2025

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