Dialyse aktuell 2008; 12(6): 327
DOI: 10.1055/s-0028-1089950
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nierenersatzverfahren – Wo stehen wir heute?

Stephanie Schikora
Further Information

Publication History

Publication Date:
11 September 2008 (online)

Natürlich profitieren Patienten mit einem terminalen Nierenversagen von den verschiedenen Nierenersatzverfahren, die uns heute zur Verfügung stehen. Und natürlich lernen wir immer mehr dazu, wenn es darum geht, das für den Patienten „optimale” Verfahren oder die „optimale” Strategie auszuwählen, geht es doch darum, den Betroffenen eine möglichst hohe Lebensqualität bei guter Prognose zu ermöglichen. Beispiele für solche Anpassungen oder Therapievarianten können Sie in der aktuellen Ausgabe der Dialyse aktuell nachlesen – sei es das „ideale” Dialyseverfahren bei ungeplantem Dialysestart, das Prinzip der „Intergrated Care”–Dialyse, das die Peritoneal– und die Hämodialyse als zwei ergänzende und nicht konkurrierende Verfahren versteht, oder auch der Einsatz der Peritonealdialyse bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Leberzirrhose, die gegenüber der intermittierenden Hämodialyse hämodynamische Vorteile für diese Patienten verspricht.

Dennoch: Die Lebenserwartung terminal Niereninsuffizienter ist noch immer niedriger als jene von einigen Krebspatienten. Denn noch können wir die Nierenfunktion eben nicht in allen Facetten ersetzen. Mit Diffusions–, Konvektions– und Ultrafiltrationsverfahren lässt sich zwar die fehlende exkretorische Funktion ausgleichen, nicht jedoch die komplexen metabolischen, endokrinen und immunologischen Funktionen des Organs. Daher ist es kaum verwunderlich, dass selbst nierentransplantierte Patienten mit nur mäßiger Transplantatfunktion eine höhere Lebensqualität und eine bessere Prognose haben als Dialysepatienten – trotz aller Probleme, welche die Transplantation mit sich bringt. Denken Sie nur an die nicht einfache und natürlich nicht nebenwirkungsfreie lebenslange Immunsuppression (z. B. Gefahr von Infektionen, Entstehung von Malignomen oder kortisonbedingten Stoffwechsel– und Knochenkomplikationen).

Schon seit Jahrzehnten versucht man daher, neue Nierenersatzverfahren zu entwickeln, die den Funktionen der Niere näher kommen. David Humes, Baltimore (USA), beispielsweise entwickelt gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe seit einigen Jahren einen „bioartifiziellen” Nierenersatz: Gezüchtete humane Tubuluszellen in einem Kapillardialysator sollen die natürliche Nierenfunktion weitgehend simulieren. Schon vor einigen Jahren konnte das Team belegen, dass das System prinzipiell funktioniert. Sie behandelten 10 Intensivpatienten mit akutem Nierenversagen und Multiorganversagen, deren Krankenhausmortalität auf mehr als 85 % geschätzt wurde, erfolgreich mit ihrem sogenannten „renal assist device” (RAD). Darüber hinaus gelang es, mit dieser Therapie die überschießende Entzündungsreaktion – eines der Probleme beim akuten, aber auch beim chronischen Nierenversagen, die mit herkömmlichen Nierenersatzverfahren nicht kontrolliert werden kann – deutlich zu reduzieren.

Anfang des Jahres hat die Arbeitsgruppe diese Ergebnisse in einer vergleichsweise großen kontrollierten klinischen Studie untermauert. Sie konnten mithilfe des bioartifiziellen Nierenersatzes die 28–Tages–Mortalität (primärer Endpunkt) von 61 auf 31 %, also um die Hälfte senken, wobei diese Risikoreduktion das Signifikanzniveau leider nicht erreichte. Signifikant unterschiedlich jedoch war das 180–Tages–Überleben, und in der RAD–Gruppe war die Zeit, bis sich die Nierenfunktion der Patienten wieder erholt hatte, deutlich kürzer als in der Kontrollgruppe. Insgesamt behandelten die Autoren 40 Patienten mit akutem Nierenversagen mindestens 72 Stunden lang mit einer Kombination aus einer konventionellen kontinuierlichen Hämodiafiltration und dem neuen bioartifiziellen Nierenersatz, während 18 Patienten nur hämodialysiert wurden.

Allzu euphorisch sollte man die Ergebnisse dennoch nicht bewerten, denn ganz unproblematisch ist weder das Studiendesign, noch die Auswertung der Daten. Weiterhin beobachten sollte man nicht nur diese Versuche aber trotzdem, auch wenn es sicher noch zu früh ist eine neue Ära der Nierenersatztherapie zu feiern. Bis das System – wenn überhaupt – einmal in der Klinik eingesetzt werden kann, wird wohl noch viel Zeit vergehen. Ein Ausblick in die Zukunft der Nierenersatztherapie ist es jedoch allemal.

Stephanie Schikora

Stuttgart

    >