Dtsch Med Wochenschr 1953; 78(27/28): 962-965
DOI: 10.1055/s-0028-1114850
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Praktisch wichtige Erfahrungen bei der Poliomyelitisepidemie 1952 in Essen

Otto Hartmann
  • Kinderklinik der Städtischen Krankenanstalten in Essen (Direktor: Prof. Dr. Bossert)
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Publication Date:
21 April 2009 (online)

Zusammenfassung

In Essen werden im Jahre 1952 insgesamt 318 Fälle von Pm. beobachtet. (Altersverteilung siehe Abbildung 1 Seite 962.) Die Letalität beträgt 8,88%. Sie differiert in den einzelnen Stadtteilen beträchtlich (z. B. in H. 0%, in B. 22,6%). Auf Grund der Beobachtung von 8 Geschwister- und 5 „Paarerkrankungen”, sowie 90 Erkrankungen von Einzelkindern unter 242 Klinikpatienten wird zum Problem der Übertragung kurz Stellung genommen. In Übereinstimmung mit anderen Autoren wird für das Zustandekommen einer Infektion ein enger Kontakt vorausgesetzt, wobei immer noch offen bleiben muß, wie es zu einer klinischen Manifestation der Pm. kommt. Traumen im weitesten Sinne des Wortes und Überanstrengungen während der Inkubationszeit sind hierbei sicher von Bedeutung. Dementsprechende anamnestische Angaben finden sich bei 16 Patienten. 111 der 242 in der Klinik behandelten Kinder haben eine aparetische Form. Von 126 paretischen Patienten zeigen 51 einen „aszendierenden” Verlaufstyp der Paresen. Fünf Kinder erkranken primär an einer Polioenzephalitis.

Das gleichzeitige Vorhandensein von hohen Zellzahlen und Eiweißwerten im Liquor weist im allgemeinen auf eine schlechte Prognose hin. Hier wird ein besonders rasches Aufsteigen der Lähmungen oft beobachtet. Die bulbären Formen mit ihren wesentlich geringeren Liquorveränderungen sind bei Vorhandensein einer Vasomotorenschwäche als prognostisch ungünstig zu bezeichnen. Unsere Erfahrungen lehren von neuem, daß im kritischen Stadium der Pm. eine körperliche und psychische Belastung soweit als möglich zu vermeiden ist. Zwei Spätlähmungen kommen hierfür in Betracht. In einem Falle ist die Verschlimmerung auf eine vorzeitige körperliche Belastung (Aufstehen des Kindes in einem unbeobachteten Augenblick) zurückzuführen.

Schließlich wird auf wesentliche Gesichtspunkte der Diagnostik, Prophylaxe und Therapie mit besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Eisernen Lunge und der Elektrolunge und deren Problematik hingewiesen.

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