Dtsch Med Wochenschr 1953; 78(33/34): 1105-1107
DOI: 10.1055/s-0028-1114884
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Seelische Störungen und Epilepsie im Kindesalter1

Psychogenie - charakterliche Retardierung - genuine EpilepsieEckart Förster
  • Psychiatrischen und Nervenklinik der Univ. Marburg a. d. Lahn (Direktor: Prof. Dr. W. Villinger)
1 In Anlehnung an einen Vortrag vor der Deutschen Vereinigung für Jugendpsychiatrie am 19. April 1952 in Marburg/Lahn über das Thema: „Grenzfragen jugendpsychiatrischer Diagnostik”.
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Publication Date:
21 April 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Unterscheidung zwischen Anlage- und Umweltwirkung bei kindlichen Verhaltensabartigkeiten ist oft eine ebenso unlösbare Aufgabe wie gelegentlich die Unterscheidung einer endogenen Psychose von einem psychogenen Ausnahmezustand. Phänomenologische Ähnlichkeiten mit psychogenen Ausnahmezuständen scheinen für kindliche Psychosen der verschiedensten Ätiologien, auch für epileptische Dämmerzustände, charakteristisch zu sein. Die hieraus erwachsenden differentialdiagnostischen Schwierigkeiten lassen sich durch die Einführung des Ausdruckes Pubertätskrise nicht lösen.

Das Diagnostizieren von Retardierungen der Charakterentwicklung ist ein außerordentlich schwer zu lösendes Problem. Man sollte sich deshalb vor Augen halten, daß es eine bisher noch unbewiesene Hypothese ist, wenn gelegentlich charakterlichen Retardierungen eine erhebliche pathogenetische Bedeutung für Psychopathien oder Neurosen zugesprochen wird.

Bei einer verhältnismäßig großen Zahl kindlicher Epilepsien läßt sich die Frage nach den Ursachen der Erkrankung nicht eindeutig beantworten. Ein erheblicher Teil kindlicher Epileptiker weist ein pathologisches Enzephalogramm auf, ohne daß die meist gut zu überblickende Vorgeschichte eine Erklärung hierfür bietet (22 von 50 Fällen mit pathologischem Enzephalogramm). Die Unterstellung z. B. unbemerkt verlaufener Enzephalitiden, geburtstraumatischer Hirnschädigungen, passagerer Hirnödeme usw. sollte die in Wirklichkeit offenen Fragen nicht verdecken. Tatsächlich ist es noch so, daß Angaben über das Häufigkeitsverhältnis zwischen genuinen und symptomatischen Epilepsien heute fast ebenso unverbindlich sind wie vor der Einführung moderner technischer Untersuchungsmethoden.

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