Dtsch Med Wochenschr 1952; 77(52): 1632-1634
DOI: 10.1055/s-0028-1117319
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Angina pectoris und Thiouracil1

R. Hürthle
  • Inneren Abtlg. des St.-Marien-Krankenhauses Frankfurt a. M. (Chefarzt: Dr. R. Hürthle)
1 Herrn Prof. Dr. G. Katsch zum 65. Geburtstag gewidmet.
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Von 416 stationär behandelten dekompensierten Herzkranken mit Angina pectoris wurden 346=83% unter Strophanthin und den sonst üblichen Methoden zur Behandlung Herzkranker beschwerdefrei.

Die restlichen 70 erhielten unter Weiterführung der bisherigen Therapie Thiouracilverbindungen, meist Propycil. Es gelang, bei weiteren 36 die Anfälle zum Schwinden zu bringen, 15 wesentlich zu bessern, also mit Thiouracilzusatz eine Erfolgsquote von rund 70% des vorher therapieresistenten Restes zu erreichen und damit den Prozentsatz der befriedigenden Heilresultate von 83 auf 95% zu steigern. 19 Kranke mit schweren Koronarveränderungen blieben unbeeinflußt.

Jeder Kranke mit organisch bedingter Angina pectoris ist zunächst einer Strophanthinbehandlung zu unterziehen, die meist zum Ziele führt.

Die Thiouracilanwendung hat sich nur auf die therapieresistenten Fälle zu beschränken.

Thiouracil soll nur zusammen mit Strophanthin verabreicht werden. Unter dieser Darreichung trat bei unseren Kranken der Heilerfolg innerhalb von acht Tagen ein, während andere Autoren hierzu ohne gleichzeitige Glykosidbehandlung Wochen und Monate benötigten. Die gleichzeitige Verabreichung ist das wirksamste Verfahren, beide Mittel bewirken gleichsinnig eine energetische Entlastung des Herzens, die nicht nur einer vagisch gesteuerten Stoffwechseländerung in Richtung der Assimilation mit verringerter Adrenalinempfindlichkeit am Herzmuskel allein, sondern auch im Bereich der Peripherie zu einem wesentlichen Anteil zuzuschreiben ist. Damit wird unsere Vorstellung von der Wirkungsweise des Thiouracils bei Angina pectoris, die bisher lediglich auf den Herzmuskel bezogen wurde, wesentlich erweitert.

Als Bestätigung dieser Auffassung wird der günstige Effekt von Thiouracil auch bei peripheren Durchblutungsstörungen gewertet. So konnten von 19 Kranken mit organisch bedingter Claudicatio intermittens durch Propycil 9 wesentlich gebessert, ein Kranker mit Angina abdominalis bei Arteriosklerose von seinen Beschwerden befreit werden.

Thiouracil allein ist nicht in der Lage, eine einmal erreichte Kreislaufkompensation nach Absetzen von Strophanthin zu erhalten, Herzglykoside werden immer wieder notwendig. Eine Reihe von Kranken konnte bis zu 2œ Jahren beobachtet und mit intermittierender kombinierter Behandlung beschwerdefrei erhalten werden.

    >