Dtsch Med Wochenschr 1951; 76(35): 1057-1061
DOI: 10.1055/s-0028-1117388
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Wiederbelebung der oralen Strophanthin-Therapie?1

R. Aschenbrenner, K. Foth
  • Medizinischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Altona (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. R. Aschenbrenner)
1 Nach einem Vortrag im Ärztlichen Verein Hamburg am 10. 4. 1951.
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Überblicken wir unsere Untersuchungen zur Strophoral-Frage im Zusammenhang, so können wir aus ihnen für die praktische Herztherapie keine wirklich ermunternden Schlüsse ziehen. Sowohl gegenüber der intravenösen Strophanthin-Therapie als auch gegenüber der oralen Behandlung mit Purpurea- und Lanata-Glykosiden haftet diesem neuen Herzmittel auf Grund schlechter und im Einzelfall schwer übersehbarer Resorptionsbedingungen ein so großer Unsicherheitsfaktor an, daß von einem wirklichen Bedürfnis zur Wiederbelebung der oralen Strophanthus-Therapie unserer Meinung nach nicht gesprochen werden kann[3]. Natürlich wird man gelegentlich auch mit Strophoral bei einer gewissen großzügigen und im Einzelfall kaum abschätzbaren Luxusdosierung wirksame Glykosidmengen an das kranke Herz heranbringen können. Wir sollten aber doch froh und dankbar sein, daß gerade auf dem Gebiete der Herzbehandlung durch die jahrzehntelange klinisch-pharmakologische Zusammenarbeit eine weitgehend rationelle Therapie möglich geworden ist, und daher besser darauf verzichten, ohne zwin-, genden Grund auf Glückstreffer zu hoffen.

Daß die intravenöse Strophanthin-Therapie Albert Fraenkels während der letzten 20 Jahre in Deutschland vielleicht allzu sehr in Mode gekommen ist, soll keineswegs bestritten werden. Trotzdem bleibt sie eine Großtat der Herztherapie und hat bei exakter Indikationsstellung Tausenden von Herzkranken wertvollste Hilfe gebracht. Für die orale Dauerbehandlung bereits rekompensierter Patienten stehen uns heute in einer großen Anzahl gut resorbierbarer und zuverlässiger Purpurea- und Lanata-Präparate Mittel zur Verfügung, die auch der Hausarzt nach sicheren und wohlbegründeten Dosierungsregeln auf lange Frist verwenden kann. Ob sich das Strophoral schließlich bei den Grenzfällen leichtester Herzinsuffizienz, bei welchen das Problem der Glykosidbedürftigkeit von jeher eine Streitfrage war, wirklich bewähren wird, muß die Zukunft lehren. Eine Monopolstellung des Stroph-orals läßt sich aber auch daraus nicht ableiten.

Die etwas stürmische Propagierung des Strophorals mahnt uns alle, der vornehmen Bescheidenheit William Witherings zu gedenken. Dieser wahrhaft große Arzt schrieb 1778 über seine grundlegenden und peinlich sorgfältigen Digitalis-Studien an seinen Kollegen und Freund Dr. Stokes die folgenden Zeilen: „Es ist sehr viel leichter, über eine Krankheit zu schreiben als über ein Heilmittel. Die erstere liegt in den Händen der Natur, und ein getreuer Beobachter mit einer leidlichen Urteilsfähigkeit wird in einer entsprechenden Schilderung nicht fehlgehen. Die Beurteilung eines Heilmittels dagegen wird immer den Torheiten, den Unachtsamkeiten und den Mißgriffen des Menschengeschlechts unterworfen sein.”

1 Anmerkung bei der Korrektur: Den gleichen Standpunkt vertritt v. Boros in einer inzwischen in der Münch. med. Wschr. 1951, Seite 1026, erschienenen Arbeit „Strophoral — ein therapeutischer Irrtum”.

1 Anmerkung bei der Korrektur: Den gleichen Standpunkt vertritt v. Boros in einer inzwischen in der Münch. med. Wschr. 1951, Seite 1026, erschienenen Arbeit „Strophoral — ein therapeutischer Irrtum”.

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