Dtsch Med Wochenschr 1950; 75(17): 580-583
DOI: 10.1055/s-0028-1117937
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die praktische Bedeutung der Folinsäure in der Klinik der Blutkrankheiten

E. Haehner
  • Medizinischen Univ.-Klinik Köln (Direktor: Prof. Dr. H. W. Knipping)
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Publication Date:
14 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Es wird über den therapeutischen Wert der Folinsäure bei Blutkrankheiten berichtet und auf eine vorangehende, unsere synthetische Erfahrung berücksichtigende Publikation verwiesen. Im ganzen wurden bisher 100 verschiedene Anämieformen mit Folinsäure (Cytofol und Ferro-Cytofol von Lappe) behandelt.

Bei einer größeren Gruppe schwerer perniziöser Anämien wurde in durchschnittlich 3 Wochen ein voller hämatologischer Erfolg erzielt. Schon in wenigen Tagen innerhalb der Retikulozytenkrise ereignete sich eine schlagartige Wandlung im anfangs desolaten Krankheitsverlauf. In allen Fällen ergab sich eine volle Remission des Blutbefundes. Bei zahlreichen leberrefraktären Kranken konnte mit Folinsäure ein prompter Effekt in jedem Stadium der Anämie erzielt werden. Ein Versagen der Folinsäuretherapie war während einer 14monatigen Dauerbehandlung nicht zu beobachten. Die exakte Dosierung des oral verordneten, völlig unschädlichen, jetzt in Deutschland synthetisierten Mittels ist ein großer Vorzug vor der Injektion mit Leberpräparaten. Vorhandene geringe neurologische Störungen wurden durch Folinsäure auch innerhalb 14 Monaten nicht verschlimmert. Eine Kontraindikation für die Folinsäurebehandlung der Perniziosa ist nur bei den mit erheblichen nervösen Symptomen verbundenen Erkrankungen gegeben.

Theoretisch ist die Folinsäure von großem Interesse wegen der Möglichkeit, mit Hilfe der Isotopenetikettierung in den Mechanismus der gestörten Hämatopoese hereinzuschauen.

Weitere günstige Resultate wurden bei einer chronischen achylischen hypochromen leber- und eisenrefraktären Anämie mit Ferro-Folinsäure und bei einer chronischen blutenden Colitis mit Folinsäure erreicht.

Bei sekundären Anämien aller Art versagt das Präparat. Es wird eine exakte Diagnose vor der Folinsäureanwendung gefordert, um die wertvolle Substanz nicht in Mißkredit zu bringen.

Der leukopoetische Effekt der Folinsäure war eindeutig bei einem mit Lost und Röntgentiefenbestrahlung behandelten Hodgkin. Tierexperimentell zeigte sich eine gute Leukopoese bei Benzol- und Röntgenleukopenie. Es ergeben sich große klinische Perspektiven für die Beeinflussung der vielfältigen chemotherapeutischen Knochenmarksläsionen.

Bei Tumoren und Leukämien vermag die Folinsäure einschließlich ihrer Antagonisten (Teropterin und Aminopterin) weder subjektiv noch objektiv eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.

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