Dtsch Med Wochenschr 1950; 75(23): 790-794
DOI: 10.1055/s-0028-1118001
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Untersuchungen über Kapillarfragilität und deren Beeinflussung durch Rutintherapie

H. Schmidt, R. Marx, B. Festl
  • I. Medizinischen Klinik der Universität München (Direktor: Professor Dr. K. Bingold)
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Publication Date:
14 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Es wird über Untersuchungen der Kapillarfragilität unter Benützung des Göthlin-Testes bei Hypertonie, Diabetes, bakteriellen Erkrankungen, Polyarthritis chronica und bei Störungen des Blutgerinnungssystems berichtet. Bei festgestellter gesteigerter Kapillarfragilität wurde in zahlreichen Fällen die Beeinflussung derselben durch Rutin (Rutinion-Rheinchemie) untersucht.

1. Bei fast zwei Drittel der Patienten mit essentiellem bzw. mit arteriosklerotischen Erscheinungen verbundenem Hochdruck fanden wir eine gesteigerte Kapillarfragilität. Unter 16 Patienten dieser Gruppe, die mit Rutingaben von 120 mg täglich über 6—9 Wochen behandelt wurden, konnte bei 15 eine Normalisierung der Kapillarresistenz beobachtet werden. Es traten auch unter der Rutintherapie keine neuen Netzhautblutungen auf. Eine Blutdrucksenkung wurde in einigen Fällen beobachtet, kann jedoch nicht einwandfrei auf die Medikation zurückgeführt werden.

2. Von 15 untersuchten Diabetikern wiesen 11 eine gesteigerte Kapillarfragilität auf. Eine Beeinflussung derselben durch Rutin war in Einzelfällen sehr deutlich, bedarf jedoch noch einer Überprüfung an größerem Material.

3. Bei 27 Fällen von lobärer Pneumonie sahen wir 10mal gesteigerte Kapillarfragilität. 4 Fälle von Endocarditis lenta wiesen sämtlich eine gesteigerte Kapillarfragilität auf. 3 von diesen, die mit Rutin behandelt wurden, zeigten eine deutliche Besserung der Kapillarresistenz. 2 Fälle von E.l. mit Subarachnoidalblutung als Frühsymptom werden erwähnt. Eine Blutungsprophylaxe mit Rutin erscheint bei dieser Erkrankung eines Versuches wert.

4. Bei 24 Patienten mit Polyarthritis chronica fanden wir 12mal gesteigerte Kapillarfragilität. Das Symptom zeigte Parallelität mit dem klinischen Verlauf des Krankheitsbildes.

5. Beobachtungen von Hypoprothrombinämie bei Leberschäden ließen erkennen, daß kein Zusammenhang zwischen Prothrombinpotential und Kapillarfragilität besteht.

6. Bei der Dicumaroltherapie tritt neben der erwünschten Senkung des Prothrombinspiegels eine Kapillarschädigung auf, die durch Rutin anscheinend günstig beeinflußt werden kann.

7. Untersuchungen an 3 Hämophilen weisen auf die Bedeutung einer vaskulären Komponente bei dieser Erkrankung hin. Die Möglichkeit einer Beeinflussung derselben durch Rutin kann erst nach länger dauernden Beobachtungen beurteilt werden.

8. Bei der essentiellen Thrombopenie ist ein Gefäßfaktor für das Auftreten der hämorrhagischen Diathese von Bedeutung. Fünf untersuchte Fälle zeigten sämtlich positiven Göthlin-Test, zwei derselben, die mit Rutin behandelt wurden, ließen eine deutliche Beeinflussung der Gefäßfragilität erkennen.

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