Dtsch Med Wochenschr 1948; 73(33/34): 379-382
DOI: 10.1055/s-0028-1118155
Klinik und Forschung

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Klinische und bioptische Untersuchungen zur akuten Leberdystrophie, zur grobknotigen Atrophie und zum Leberkoma nach Hepatitis epidemica (Schluß)

Heinz Kalk - Berlin
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Publication Date:
02 June 2009 (online)

Klinische und bioptische Untersuchungen zur akuten Leberdystrophie, zur grobknotigen Atrophie und zum Leberkoma nach Hepatitis epidemica

Zusammenfassung

Laparoskopische Beobachtungen und histologische Untersuchungen an mikroskopischen Präparaten, die mit der gezielten Leberpunktion am Lebenden gewonnen wurden, zeigen, daß zwischen den schweren Fällen der Hepatitis epidemica mit zentraler Parenchymnekrose und der akuten gelben Leberdystrophie fließende Übergänge bestehen.

Leberkoma, verbunden mit intensivem rotgelbem Ikterus ist das klinische Zeichen des akuten Leberzerfalls. Jedoch gibt es auch Fälle von akuter (gelber) Leberdystrophie, die ohne oder nur mit geringem Ikterus einhergehen. Ein untrügliches Zeichen des schweren Parenchymzerfalls ist der Lebergeruch der Ausatmungsluft.

Die akute gelbe Leberdystrophie kann in ihrem Ausheilungsstadium in die grobknotige Atrophie, auch multiple knotige Hyperplasie genannt, von uns als Kartoffelleber bezeichnet, übergehen. Das laparoskopische Bild der grobknotigen Atrophie, das in 10 Fällen beobachtet wurde, wird beschrieben.

Die einzelnen Verlaufsformen werden durch laparoskopisch und histologisch verfolgte Beispiele belegt:

Das 1. Beispiel zeigt den Übergang einer schweren Hepatitis mit Leberkoma in eine tödlich verlaufende akute gelbe Leberatrophie mit beginnender Bindegewebsvermehrung.

Der 2. Fall gibt ein Beispiel dafür, daß trotz eines durchgemachten Leberkomas 4 Wochen später die Leber schon wieder völlig anatomisch intakt gefunden werden kann, lediglich mit den Zeichen einer frischen Regeneration des Lebergewebes ohne Bindegewebsvermehrung.

Der 3. Fall ist der einer tödlich endenden subakuten Leberdystrophie zwei Monate nach antiluetischer Behandlung, bei der sich histologisch und laparoskopisch die Anfangsstadien des Übergangs in die grobknotige Atrophie fanden.

Der 4. Fall zeigt die laparoskopisch und histologisch verfolgte Entwicklung einer grobknotigen Atrophie aus einer schweren Hepatitis epidemica.

Der 5. Fall ist ein Beispiel dafür, daß sich aus einer schweren Hepatitis epidemica einerseits eine grobknotige Atrophie, andererseits über das Stadium der Höckerleber eine atrophische Zirrhose entwickeln kann.

Bei dem 6. Fall entwickelt sich aus einer schweren Hepatitis epidemica, wie fortlaufend laparoskopisch und histologisch verfolgt wurde, in einem Teil der Leber ein völliger Zerfall des Lebergewebes, der in grobknotige Atrophie überging. In dem von dem großen Zusammenbruch verschonten Teil der Leber bildete sich allmählich im Laufe von 19 Wochen eine atrophische Leberzirrhose aus.

Das Nebeneinandervorkommen von akuter gelber Leberdystrophie bzw. grobknotiger Atrophie und Leberzirrhose wird vom Gesichtspunkt der Pathogenese beider Erkrankungen aus erörtert.

Es wird ein Schema über die einzelnen Möglichkeiten des Verlaufes der schweren Hepatitis epidemica mit zentraler Parenchymnekrose gegeben.

Die Laparoskopie und die damit verbundene gezielte Leberpunktion ermöglichen die Erkennung all dieser Krankheitszustände und verschiedenen Verlaufsformen mit anatomischer Exaktheit am lebenden Menschen.

Die Beobachtung, daß trotz der Zerstörung großer Teile des Leberparenchyms bei der akuten Leberdystrophie es zu einem hochgradigen Ikterus kommen kann, macht es wahrscheinlich, daß dieser Ikterus zum Teil extrahepatisch entsteht. Ein Versuch zeigte, daß es gelingt, durch intravenöse Zufuhr von Gallensäuren im Blut kreisendes, an Eiweiß gebundenes, indirekt reagierendes Bilirubin harnfähig zu machen und von dem als Vehikel dienenden Serumeiweiß zu trennen.

Bei den berichteten 6 Fällen mit schwerer Hepatitis bzw. Leberkoma und Übergang in akute Leberdystrophie, grobknotige Atrophie und Zirrhose lagen 5mal besondere Komplikationen vor: 2mal Diabetes, 1mal eine unbehandelte Lues, 1mal eine Lues mit 2 Salvarsankuren, 1mal vorausgegangene Hungerödeme und gehäufte Gallenkoliken.

Der nach einer antiluetischen Kur 2—3 Monate später auftretende sogenannte „Salvarsanikterus” ist nach unseren histologischen Untersuchungen eine echte Hepatitis epidemica.

In der Therapie der schweren Hepatitis mit schwerem Parenchymschaden bzw. akuter (gelber) Leberatrophie ist von besonderer Wichtigkeit: rechtzeitige Anordnung völliger Bettruhe schon bei Beginn des Ikterus und rechtzeitige Einlegung einer Duodenaldauersonde.

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