Dtsch Med Wochenschr 1946; 71(21/24): 220-224
DOI: 10.1055/s-0028-1118584
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Lymphosarkomatose und Leukämiebegriff

W. Tischendorf
  • Medizinischen Universitätsklinik Göttingen (Direktor: Prof. Dr. R. Schoen)
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Publication Date:
02 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Krankheitsgruppe der lymphosarkomatösen Leukämien vereinigt in sich die multilokuläre autochthone leukämische Tumorbildung wie lokalisiertes, infiltrativ-metastasierendes Tumorwachstum und kann somit als echte Tumorbildung mit leukämischen Blut- und Organveränderungen, als Sarkomleukämie gekennzeichnet werden. An Stelle der willkürlichen Krankheitsbezeichnungen wie aleukämische Lymphadenose, akute Lymphadenose und Mikromyeloblastenleukämie sollte die Bezeichnung als lymphosarkomatöse Leukämie geführt werden. Die Krankheitsgruppe der Lymphosarkomatosen ohne leukämische Blutveränderungen zeigt ebenfalls die Sonderstellung gegenüber der bekannten Lymphosarkomatose und fließende Übergänge zu anatomisch-leukämischen Erscheinungsformen. Vielleicht können drei Grundtypen der Lymphosarkomentwicklung festgelegt werden, die auch gewisse Unterschiede im klinischen Verlauf aufweisen. Der eigentliche chronische Verlauf der aleukämischen Lymphosarkomatose ist meist mit lokalisierter Tumorbildung bei Systematisierung der Erkrankung ohne regelmäßige Beteiligung von Leber und Milz verbunden. Der subakute Verlauf zeigt klinisch und anatomisch Systematisierung der Lymphosarkomatose unter Einbeziehung von Leber und Milz bis zur Ausschwemmung von lymphosarkomatösen Tumorzellen ins strömende Blut. Perakut verlaufende lymphosarkomatöse Leukämien weisen bei ausgesprochen leukämischen Blutveränderungen mit aplastischer Anämie auch anatomisch neben lokalisierter und generalisierter Tumorbildung und Metastasierung typische Leukämiemerkmale auf. Trotz solcher Unterschiede, die sich aus dem Vergleich des pathologisch-anatomischen Erscheinungsbildes und dem klinischen Verlauf ergeben, kann gerade unter Berüchsichtigung der anatomischen Merkmale bei Lymphosarkomatosen und lymphosarkomatösen Leukämien auf eine Krankheitseinheit von leukämischem Tumorcharakter geschlossen werden. Die lokalisierte, infiltrierend wachsende Tumorbildung, die knotig-hämatogene Metastasierung, die leukämischen Blutveränderungen und schließlich die Beteiligung von Leber, Milz und Knochenmark an der Systemerkrankung machen eine Überprüfung und Neuordnung des Krankheitsbegriffes der Lymphosarkomatose im Sinne einer Leukämie-analogen Tumorerkrankung des lymphoiden Retikulums im gesamten hämatopoetischen Gewebe notwendig.

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