Dtsch Med Wochenschr 1931; 57(24): 1010-1014
DOI: 10.1055/s-0028-1124547
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Die Bewertung der Probegeburt im Zeitalter der chirurgischen Geburtshilfe

Günther Schäfer - Assistent
  • Aus der Universitäts-Frauenklinik in Berlin. (Direktor: Geh.-Rat Stoeckel.)
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Publication Date:
06 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Bei einer Gegenüberstellung von Probegeburt und Kaiserschnitt kommen wir zu folgenden Resultaten:

1. Die mütterliche Mortalität bei der Durchführung der Probegeburten beträgt 1,2%. Alle Todesfälle fallen den verschleppten Geburten zur Last. Die Folge eines fieberhaften Wochenbetts zeigte sich bei 11,4% der Mütter aller Probegeburten. Nach verschleppten Probegeburten, d. h. nach einer Geburtsdauer von mehr als 48 Stunden, erhöht sich diese Zahl auf 19%.

2. Die mütterliche Mortalität beim Kaiserschnitt an Erstgebärenden mit engem Becken beträgt 4,2%. Der postoperative Verlauf ist zu 24,7% fieberhaft. Die Wundheilung ist zu 20% gestört. Zwei Dauerschädigungen, eine Bauchdeckenfistel und eine Uterusbauchdeckenfistel stellten sich nach der Operation ein. Die Resultate der „reinen” Fälle sind denen der „unreinen” Fälle gleich. Die große Zahl der „Ferngefahren” bedrohen die Mütter nach Ueberstehen der Kaiserschnittsoperation.

3. Die kindliche Mortalität bei der Probegeburt beträgt 25% und erhöht sich bei poliklinischen Geburten auf 33%. Die verschleppte Probegeburt hat eine kindliche Mortalität von 40% zur Folge.

4. Durch den Kaiserschnitt können praktisch 100% der Kinder gerettet werden.

Diese Tatsachen zwingen zu folgenden Ueberlegungen, die die Bewertung der Probegeburt im Hinblick auf die Möglichkeiten des Kaiserschnitts klarstellen.

1. Die Mütter werden bei der Probegeburt sowohl vor Lebensgefahr als auch vor schädigenden Folgen besser bewahrt als bei der Vornahme des Kaiserschnitts. Kommt es bei der Durchführung der Probegeburt zur Geburtsverschleppung, so werden die Mütter in höchstem Maße gefährdet. Deshalb muß diese Komplikation der Verschleppung entweder rechtzeitig durch den Kaiserschnitt vermieden werden, oder es darf in den Fällen, bei denen eine Kaiserschnittsoperation nicht mehr möglich ist, kein Wert mehr auf die Erhaltung des kindlichen Lebens gelegt werden. Die Mutter steht hier allein im Mittelpunkt des geburtshilflichen Interesses, da ein Rettungsversuch des Kindes nur zufällig gelingt und die Mutter in größte Gefahren bringt.

2. Die kindliche Mortalität bei der Probegeburt ist hoch und liegt in der Schicksalsbestimmung des „Probekindes” begründet, die Richtschnur für den Ablauf späterer Geburt zu geben. Deshalb führt die Probegeburt nicht zur Verminderung der absoluten Kinderzahl, die durch die Spätfolgen des Kaiserschnitts verursacht wird.

3. Wird bei Beckenenge I/II° die Probegeburt durchgeführt, dann ergeben sich als wichtigste Schlußfolgerung dieser Arbeit folgende Bedingungen: a) Klinische Durchführung der Probegeburt, b) Zunächst keine innere Untersuchung. c) Abwarten bis zum Blasensprung und bis zu einer Dehnung des Muttermundes von etwa Kleinhandtellergröße, d) Sorgfältige Beobachtung, welche Einstellung der Kopf zum Becken nach dem Blasensprung und guter, nötigenfalls medikamentös angeregter Wehentätigkeit nimmt, e) Innere Untersuchung zur endgültigen Klärung der Geburtsmöglichkeit in Sektionsbereitschaft.

4. Die Probegeburt soll in keinem Fall erzwungen werden. Die Beendigung durch die Sectiosollbei Aussichtslosigkeitihrer Durchführung möglich sein.

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