Dtsch Med Wochenschr 1931; 57(30): 1276-1279
DOI: 10.1055/s-0028-1124630
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Kreislauffunktionsprüfung bei Herzkranken1)

H. W. Bansi, G. Groscurth
  • Aus der I. Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses am Urban. (Direktor: Prof. H. Zondek)
1) Auszug aus dem am 4. V. 1931 im Verein für innere Medizin, Berlin, gehaltenen Vortrag. — Aussprache s. die Vereinsbeilage dieser Nr.
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Publication Date:
27 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Unsere Befunde brachten uns zwar nicht direkt in Berührung mit den Problemen der Kompensation und der Dekompensation, wie es vor allem von v. Bergmann und Wollheim an dieser Stelle diskutiert worden ist. Bei unserer Fragestellung spielte der noch vorhandene Rest an Herzkraft, also die Erfassung der Reservekraft des Herzens und die Frage nach der Leistungsfähigkeit die Hauptrolle, während völlig dekompensierte Kranke selbstverständlich von der Untersuchung ausgenommen werden mußten. Anderseits wird durch unsere Untersuchungen besonders deutlich, welch fließende Uebergänge sich zwischen Kompensation und Dekompensation finden. Patienten mit absoluter Dekompensation in einem Zustand, wo in der Ruhe bereits die Herzleistung nicht mehr auslangt und es infolgedessen zu schweren Koordinationsstörungen im gesamten Kreislaufsystem kommt, zu Stauungen, Oedemen, Vermehrung der zirkulierenden Blutmenge, Dyspnoe, konnten nur untersucht werden, wenn sie, relativ unempfindlich gegen ihre vorhandene Herzschwäche, trotzdem zu geringen körperlichen Leistungen sich fähig fühlten. In diesen ausgesprochenen Fällen, wo Stauungsleber und Oedeme bestanden, zeigte sich eindeutig die Unfähigkeit des Herzens zur Steigerung seiner Leistung. Aber wir konnten auch erhebliche Störungen bei solchen Kranken aufdecken, die für die Ruhe sich noch in einem Zustand subjektiver Kompensation befanden. Schließlich konnten wir sogar bei kompensierten Klappenfehlerkranken, die sich zu jeder körperlichen Leistung fähig fühlten und ihrem oft anstrengenden Beruf ohne Beschwerden nachgingen, Abweichungen in der Kreislaufreaktion nach der Arbeit feststellen, die für eine letzten Endes den Herzgefäßapparat belastende Anpassung bei der durch den Klappendefekt verursachte Umstellung der Gesamtzirkulation sprechen. Es kommt die ganze Lebendigkeit im Kreislaufgeschehen in unser Blickfeld, indem sich alle Uebergänge vom Höhepunkt der Leistungsfähigkeit eines kompensierten Herzens bis zum voll entwickelten Bild der Herzschwäche mit immer krankhafterem beschleunigtem Herzjagen und kleinem abnormem Schlagvolumen abzeichnen, mit dem der erlahmende Herzmuskel die Aufrechterhaltung der Zirkulation erstrebt.

Ziehen wir jetzt die Schlüsse, die sich für die Klinik und damit auch für die Praxis ergeben, so glauben wir mit unserer Methodik zur Messung der Kreislauffunktion einen Weg zur objektiven Erfassung der Herzkraft gewiesen zu haben. Wenn auch unser Material, das sich auf 250 Einzeluntersuchungen an 90 Versuchspersonen mit weit über 2000 Azetylenanalysen erstreckt, noch zu klein ist, um zu definitiven Ergebnissen zu kommen, so hat sich die Differentialdiagnose zwischen Herzleiden mit Beteiligung des Herzmuskels oder des Klappenapparates gegenüber den einfachen Vasoneurosen oder Herzneurosen stets feststellen lassen. Der abnorm hingezogene Kurvenabfall wies stets auf organische Defekte hin. Wir möchten deshalb glauben, daß bei genügender Erfahrung die Methode vor allem für die Begutachtung fraglicher Herzkrankheiten und für die Frage nach der restierenden Herzkraft von Wichtigkeit sein wird.

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