Dtsch Med Wochenschr 1926; 52(42): 1765-1767
DOI: 10.1055/s-0028-1127763
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber bösartige und gutartige Geschwülste des Pankreas1)

Max Einhorn
  • Aus dem Lenox Hill-Hospital in Neuyork
1) Vortrag, gehalten in der Medizinischen Gesellschaft der Nassau County, in Garden City, am 27. IV. 1926.
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Publication Date:
22 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Hauptsymptome bei den meisten Fällen waren: Verlust des Appetits oder Abneigung gegen Speisen, fast permanente Beschwerden im Epigastrium, häufiges Aufstoßen. Die Schmerzen befallen hauptsächlich das linke Hypochondrium und strahlen nach dem Rücken aus. Die Rückenlage verstärkt in einigen Fällen die Schmerzen, sodaß sich solche Patienten in aufrechter Position oder in rechter Seitenlage wohler fühlen. In Fällen bösartiger Neubildung ist ohne Remissionen ein dauernder Fortschritt des Verfalls zu beobachten. Bei der gutartigen Pankreatitis unterbrechen schmerzfreie Perioden des Wohlbefindens das Leiden. Die Prüfung mit der Verdauungsprobekapsel spricht häufig, besonders in Fällen maligner Tumoren, für eine Verdauungsinsuffizienz, da viele Substanzen unverdaut, besonders die Kernsubstanzen, mit dem Stuhle wieder ausgeschieden werden. Das Pankreassekret hat fast immer an Wirksamkeit eingebüßt und zeigt häufig einen Mangel an diesem oder jenem Ferment, was, je nachdem der Krankheitsprozeß vorgeschritten ist, eine mehr oder weniger ausgesprochene Funktionsstörung bedeutet. Die Galle pflegt trübe zu sein, enthält Cholesterinkristalle und Eiterkörperchen. Häufig besteht eine Achylie oder eine ausgesprochene Subazidität, wenn Malignität vorliegt, oder Hyper- bzw. Euchlorhydrie, wenn es sich um die gutartige Form der Erkrankung handelt. Ikterus ist besonders dann vorhanden, wenn der Pankreaskopf der Sitz der Erkrankung ist, und bedeutete ein diagnostisch wichtiges Symptom. In allen Fällen bestand eine chronische Cholezystitis, die, abgesehen von Fällen mit Ikterus, kaum klinische Erscheinungen machte. Die differentialdiagnostische Möglichkeit einer Pankreasaffektion wurde bei der weiteren Forschung zur sicheren Wahrscheinlichkeit, wenn ein vollständiger Mangel oder eine Verminderung des Trypsinfermentes nachweisbar wurde. Eine Probelaparotomie wird die Diagnose, maligne Neubildung oder nicht, meistens klären und gibt gleichzeitig Gelegenheit, weitere Eingriffe anschließend vorzunehmen. Eine chronische Cholezystitis, mit oder ohne Steine, aber ohne Pankreasaffektion indiziert eine Cholezystektomie. Ist das Pankreas erkrankt, Sitz einer Entzündung oder malignen Neubildung, so ist die Entfernung der Gallenblase kontraindiziert und soll man entweder eine Gallenblasenfistel anlegen oder eine Anastomose zwischen Gallenblase und Magen oder Duodenum etablieren. Handelt es sich um eine inoperable, bösartige Affektion, so kann durch einen solchen palliativen Eingriff dem Kranken Erleichterung verschafft werden, bei einem gutartigen Prozeß ist völlige Genesung zu erwarten. Bei Metastasen in der Leber oder anderen Organen sind weitere Eingriffe als aussichtslos kontraindiziert und, nachdem die Diagnose so gesichert ist, wird man sich auf die Probelaparotomie beschränken müssen.

Zwei Fälle gutartiger, entzündlicher Pankreastumoren, die mit Ikterus kompliziert waren und die beide in Heilung ausgingen, einer nach Anlegung einer Gallenblasenfistel und der andere nach einer Cholezystogastrostomie, sind besonders bemerkenswert, da beide in ihrem schweren Verlauf einen bösartigen Tumor des Pankreas oder der Gallenblase vermuten ließen. Die einfache Operation — ohne die beide Fälle zweifellos ihrem Leiden erlegen wären —, eine Gallenblasenfistel, führte durch Entlastung des Pankreas zur Heilung. Beide I Patienten fühlen sich heute wohl, und die Prognose ist in beiden Fällen gut. Aus diesen Fällen müssen wir als Schlußfolgerung ziehen, daß die Diagnose eines malignen Tumors des Pankreas oder der Gallenblase mit Vorsicht zu stellen ist und, wenn Zweifel in dieser Beziehung bestehen, die Diagnose durch eine Laparotomie erhärtet werden muß. In manchem Falle können wir die Genugtuung haben, den Patienten so genesen zu sehen.

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