Dtsch Med Wochenschr 1953; 78(14): 480-484
DOI: 10.1055/s-0028-1131303
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Das Elektrencephalogramm nach gedeckten Kopfverletzungen

Ein Beitrag zur Differentialdiagnose der Commotio und Contusio cerebri1 Rudolf W. Meyer-Mickeleit
  • Abteilung für Klinische Neurophysiologie der Universität Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. R. Jung)
1 Nach einem Vortrag auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Hirntraumafragen im April 1952 in Mainz.
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 April 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Auswertung von 1115 EEG-Untersuchungen bei 932 Erwachsenen wenige Stunden bis mehrere Jahre nach einem unkomplizierten geschlossenen Kopftrauma zeigte folgende allgemeine Ergebnisse:

Nach Kopfprellung oder Commotio cerebri fanden sich im allgemeinen keine EEG-Veränderungen. Bei den in 5—10% dieser Fälle vorkommenden Herdveränderungen des EEG handelt es sich wahrscheinlich um klinisch nicht erkennbare Hirnkontusionen.

Nach Contusio cerebri zeigten 70% aller Fälle pathologische EEG-Befunde im ersten Monat. 57% aller frischen Kontusionen hatten Herdbefunde, 50% Allgemeinveränderungen des EEG von mehrwöchentlicher Dauer.

Eine Verlangsamung des α-Rhythmus in den ersten Wochen nach dem Trauma ist häufig. In seltenen Fällen kann diese vorübergehende α-Verlangsamung die einzige EEG-Veränderung nach einer Hirnkontusion sein.

Allgemeinveränderungen des EEG verschwinden meistens innerhalb von 3 Monaten nach einer Hirnkontusion parallel zur klinischen Besserung.

Herdveränderungen des EEG bleiben länger bestehen und sind über 5 Jahre nach dem Trauma noch in 12% der Hirnkontusionen nachweisbar.

Ein lokalisiertes posttraumatisches Hirnödem kann im EEG durch den δ-Fokus erkannt werden. 20% der im ersten Monat nach dem Trauma untersuchten Kontusionen hatten einen solchen δ-Fokus. Der δ-Fokus zeigt eine raschere Rückbildung als die übrigen Herdveränderungen.

Zur Differentialdiagnose zwischen Commotio und Contusio cerebri kann das EEG am zuverlässigsten in den ersten Monaten nach dem Trauma beitragen. Die EEG-Untersuchung soll daher möglichst früh erfolgen.

Klinisch nicht erkennbare Rindenprellungsherde können im EEG nur lokalisiert werden, soweit sie im Bereiche der oberen Großhirn-Hemisphären liegen. Ein negativer EEG-Befund schließt eine Contusio cerebrinicht aus. Vor allem bei länger zurückliegenden Hirnkontusionen sind fehlende EEG-Veränderungen häufiger als positive Befunde.

Wenn nach Rückbildung der initialen EEG-Veränderungen erneut deutliche Allgemein- oder Herdveränderungen auftreten oder über das erste halbe Jahr hinaus fortbestehen, so ist eine Komplikation (subdurales Hämatom, Abszeß, Epilepsie) anzunehmen.

    >