Dtsch Med Wochenschr 1916; 42(52): 1599-1600
DOI: 10.1055/s-0028-1135569
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Frage der Spezifizität der Wassermannschen Reaktion: Tumor- und Narkosesera. II. Teil: Narkosesera

Erich Sonntag - Assistent an der Chirurgischen Universitätsklinik in Leipzig
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Publication Date:
14 July 2009 (online)

Zur Frage der Spezifizität der Wassermannschen Reaktion: Tumor- und Narkosesera. I. Teil: Tumorsera

Zusammenfassung

Bei systematischer Durchprüfung von 125 Tumor- und 100 Narkosesera mit der Wa.R. ergab sich folgendes Resultat:

1. Tumor- und Narkosesera ergeben bei der Wa.R. keinen unspezifischen Ausschlag; eventuell positive Reaktion beweist daher auch hier Lues. Damit ist ein weiterer Beitrag gebracht zur Spezifizität der Wa.R. Die gegenteiligen Behauptungen sind wahrscheinlich irrig, teils durch Fehler in der Methodik, teils durch Uebersehen gleichzeitiger Syphilis zu erklären; angesichts der Beobachtungen einiger Untersucher darf vielleicht das vereinzelte Vorkommen angedeuteter Ausschläge bei Tumoren (hier anscheinend nur in extremis) und bei Narkose als möglich zugelassen werden.

2. Bei der Prüfung der Tumor- und Narkosesera erscheint allerdings besondere Vorsicht angebracht, vor allem exakteste Methodik mit quantitativer Titrierung und Verwendung verschiedener und geeigneter Antigene, Verwendung von inaktiviertem Serum in geeigneter Dosis, Wahl genügenden Komplementes, vorsichtige Beurteilung des Reaktionsergebnisses, eventuell Wiederholung in einem weiteren Versuche.

a) Bei den Tumorsera bedarf die Frage eventueller gleichzeitiger Lues der Beachtung. Ein positiver Ausfall, welcher also Lues beweist, schließt natürlich Tumor keineswegs aus, indem die Wa.R. nur die allgemeine, nicht aber die topische Diagnose gibt, d. h. zwar besagt, daß das betreffende Individuum Syphilitiker ist, nicht aber, daß das in Rede stehende Leiden syphilitischer Natur ist. Eine weitere Klärung gibt in dieser Hinsicht die quantitative Titrierung: ein starker Ausfall der Reaktion spricht für, ein negativer oder schwacher gegen manifeste und nicht spezifisch behandelte Lues; jedoch dürfen bei der Entscheidung die sonstigen Symptome und Untersuchungsmethoden nicht vernachlässigt werden. Das Ergebnis der Wa.R. bei Tumorsera spricht gegen die häufigere Kombination von malignem Tumor und florider Lues, kann aber über die sonstige Bedeutung der Lues für die Entstehung maligner Tumoren keinen Aufschluß geben, da Lues in der Reaktion nicht immer zum Ausdrucke kommt.

b) Bei den Narkosesera ist eine Veränderung in serologischer Hinsicht nicht ausgeschlossen. Weitere Studien erscheinen aus wissenschaftlichen Gründen (Wesen der Narkose!) wünschenswert. In praktischer Hinsicht ist bei exakter Technik und vorsichtiger Beurteilung eine Störung der Wa.R. nicht zu befürchten.

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