Dtsch Med Wochenschr 1936; 62(38): 1546-1549
DOI: 10.1055/s-0028-1141315
Ärztliche Fortbildung

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Röntgenbefund und Diagnose

L. Stehr - Oberarzt des Instituts
  • Röntgeninstitut des Städtischen Rudolf-Virchow-Krankenhauses und dem Allgemeinen Institut gegen die Geschwulstkrankheiten in Berlin. Direktor: Prof. H. Cramer
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Die sog. Röntgendiagnose ist nicht der Diagnose in klinischem Sinne gleichzusetzen. Sie ist vielmehr nur eine Deutung der Röntgensymptome im Sinne der teils deduktiven, teils induktiven Schlußfolgerung. Sie beansprucht demgemäß auch eine völlig andere, sozusagen für sie spezifische Bedeutung.

Die Röntgenuntersuchung ist keine reine Beurteilung von Schattenbildern, vielmehr sind ihre objektiven Ergebnisse durch Fehlerquellen — Streustrahlung, Verzeichnung, Summation, Superposition — stark überlagert, sodaß ihre Ergebnisse nicht mit denen der Anatomie vergleichbar sind. Der Röntgenuntersuchung sind gewisse Grenzen gesetzt, ihren Nutzen kann nur derjenige voll auswerten, der ihre Indikation in positivem und negativem Sinne kennt. Die Kenntnis der Indikation zur Röntgenuntersuchung ist besonders für den nicht röntgenologisch tätigen Arzt notwendig, wenn er seine Kranken und sich vor Schaden bewahren will.

Die klinische Untersuchung muß unbedingt vor Einleitung der Röntgenuntersuchung abgeschlossen sein; der klinische Befund ist die Grundlage für den wegen seiner Vielfalt oft in zahlreichen Richtungen auswertbaren Röntgenbefund. Die Röntgenuntersuchung kann nicht die klinische Untersuchung ersetzen, sondern kann sie nur ergänzen — im positiven und im negativen Sinn.

Die Grenzen zwischen normal und krankhaft im Röntgenbild sind derart breit, daß nur derjenige sie beherrschen kann, der ununterbrochenen und kritischen Umgang mit Röntgenbefunden hat. Der Röntgenologe mit geringerer Erfahrung muß vor folgenschweren Schlüssen oder Entschlüssen das Urteil des geübten „Röntgenologen” einholen.

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