veterinär spiegel 2009; 19(02): 100-103
DOI: 10.1055/s-0029-1185754
nutztiere
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Brauchen wir Leitlinien für die Tierärztliche Bestandsbetreuung?

Rolf Mansfeld
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Publication Date:
29 June 2009 (online)

Entwicklungen in der landwirtschaftlichen Produktion

In den vergangenen Jahrzehnten war die landwirtschaftliche Produktion vor allem durch Rationalisierungen in der Produktionstechnik und intensive züchterische Bearbeitung von Leistungsmerkmalen bei den genutzten Tierarten gekennzeichnet. Das hat zum Beispiel in der Milchproduktion zu einer Zunahme der Herdengröße, einer Verdreifachung des Milchleistungsniveaus seit den fünfziger Jahren und zu einer angemessenen Einkommensentwicklung der Milcherzeuger geführt. Allerdings sind auch die Anforderungen an das Herdenmanagement deutlich gestiegen.

Hochleistende Tiere sind anspruchsvoll, ihre Haltung und Fütterung verlangen vom Tierhalter besondere Sorgfalt und ein aufmerksames Tiergesundheitsmanagement durch den bestandsbetreuenden Tierarzt. Aufgrund der erwarteten und zwischenzeitlich eingetretenen negativen Entwicklung der Erzeugerpreise ist mit einem steigenden wirtschaftlichen Druck und einem Rückgang des Arbeitseinkommens der Landwirte zu rechnen. Demgegenüber stehen Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen innerhalb der Europäischen Union, durch die die Aspekte des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, des Tierschutzes und des Umweltschutzes zunehmend in den Vordergrund gerückt werden. Zwischenzeitlich wurde sowohl die Ausdehnung dererweiterten Produkthaftung auf die landwirtschaftliche Primärproduktion (RL 1999/34/EG) als auch das sog.„Stable-to-Table-Konzept“ (VO EG 178/2002 – sog. Basisverordnung) rechtlich verankert. Dies erfolgte im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung und den stark unterschiedlichen Produktionsbedingungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Mit dem sog. „Stable-to-Table-Konzept“ wird das Ziel verfolgt, eine lückenlose Rückverfolgbarkeit innerhalb von vertikalen Lebensmittelproduktionsketten zu gewährleisten und auf diese Weise eine Qualitätssicherung vom Beginn der Urproduktion bis zum Endverbraucher zu erzielen. Die Kombination aus „Stable-to-Table-Konzept“ und „erweiterter Produkthaftung“ erfordert Qualitätssicherungssysteme für landwirtschaftliche Betriebe sowohl aus Sicht und zum Schutz des Verbrauchers als auch des landwirtschaftlichen Betriebsleiters.

Hinzu kommen die in den Jahren 2005 bis 2007 eingeführten Cross-Compliance-Bestimmungen, im deutschsprachigen Raum auch als„anderweitige Verpflichtungen“ bezeichnet, durch die Prämienzahlungen an gesetzlich definierte Umwelt-, Tierschutz- und Qualitätsstandards gekoppelt werden (Verordnung [EG] Nr. 1782/2003).

Diese auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinenden Anforderungen an die landwirtschaftlichen Betriebe machen deutlich, dass krankheits- und managementbedingte Produktionsverluste durch qualitätssichernde Maßnahmen soweit möglich minimiert werden müssen. Betriebswirtschaftliche Reserven können bei optimierter Gesundheit und Leistung der Tiere genutzt und parallel dazu die geltenden gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Die Tierärztliche Bestandsbetreuung kann zur Ausgestaltung der dafür erforderlichen Qualitätssicherungssysteme einen erheblichen Beitrag leisten.