Dtsch Med Wochenschr 1920; 46(33): 904-906
DOI: 10.1055/s-0029-1192836
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Frage der Infektionswege der Tuberkulose1)

Jos. Koch, B. Möllers
  • Aus dem Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch” in Berlin
1) Die Untersuchungen wurden mit Mitteln der Robert Koch-Stiftung zur Bekämpfung der Tuberkulose vorgenommen und werden ausführlich im nächsten Heft der Veröffentlichungen dieser Stiftung erscheinen.
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Publication Date:
14 July 2009 (online)

Zusammenfassung

Zerlegt man den Magendarmkanal des Kaninchens in drei Abschnitte: erstens den Dünndarm, zweitens den Magen- mit anschließendem Darmkanal, drittens den obersten Teil des Verdauungstraktus, umfassend Mund- und Rachenhöhle sowie die Speiseröhre, und bringt eine Versuchstechnik zur Anwendung, daß jeder dieser Abschnitte für sich allein die eingeführten Perlsuchtbazillen resorbieren kann, so ergibt sich Folgendes:

1. Bei der Infektion des Kaninchens vom Dünndarm aus sind die eingeführten Perlsuchtbazillen schon mindestens 1Œ Stunde nach der Einspritzung im strömenden Blut und in den verschiedenen Organen durch Meerschweinchenversuch nachweisbar. Die Tuberkelbazillen wurden im Blut bei 60%, in der Leber bei 40%, in der Milz bei 50%, in den Mesenterialdrüsen und dem Netz sogar bei 30% der untersuchten Kaninchen gefunden.

Die Resorption der Tuberkelbazillen im Darm geht, ohne in der Darmwand selbst krankhafte Veränderungen zu hinterlassen, auf dem Wege der Chylusgefäße vor sich, durch welche die Bazillen den Mesenterialdrüsen zugeführt werden. Ein Teil der Bazillen siedelt sich hier an, während ein anderer Teil von dem Chylus weitergetragen wird und mit diesem in das zirkulierende Blut gelangt. Durch dieses findet dann eine Infektion der verschiedenen inneren Organe, der Leber, Milz, Knochenmark usw. statt.

2. Bei Einführung von Tuberkelbazillen in den Magen bleibt die Allgemeininfektion des Kaninchens in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle aus. Es hat den Anschein, als ob die Tuberkelbazillen durch den Magensaft größtenteils abgetötet, zum mindesten aber in ihrer Virulenz stark abgeschwächt werden.

3. Es gelingt, Kaninchen von der Mundhöhle und den oberen Verdauungswegen aus tuberkulös zu machen. Jedoch kam es in unseren Versuchen trotz der Verwendung gleicher Dosen nicht zu einer allgemeinen Infektion des Blutes, wie es bei direkter Einführung des infizierenden Materials in den Dünndarm der Fall war, sondern es entwickelte sich eine hauptsächlich auf die Oberlappen und die freien Ränder der Lunge beschränkte, chronisch verlaufende, der menschlichen Lungentuberkulose ähnliche Erkrankung, sowie eine tuberkulöse Lymphadenitis.

Die nach Fütterung entstandene Halsdrüsentuberkulose ist für die Beurteilung der Eintrittspforte der Bazillen wichtig; sie zeigt, daß bereits von den Lymphdrüsen und dem adenoiden Gewebe der Mundhöhle aus eine Resorption von Tuberkelbazillen stattfinden kann.

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