Dtsch Med Wochenschr 1926; 52(4): 138-141
DOI: 10.1055/s-0029-1200660
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Behandlungsergebnisse mit Sanocrysin bei Tuberkulose

Ulrich Friedemann, St. Kwasniewski, H. Deicher
  • Aus der Infektionsabteilung des Städtischen Rudolf Virchow-Krankenhauses in Berlin. (Dirigierender Arzt: Prof. Friedemann.)
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Publication Date:
21 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Ueberblicken wir das Gesamtresultat unserer Versuche, so ergibt sich bei 19 von 54 Fällen eine sehr erhebliche Besserung, die im Allgemeinbefinden, im physikalischen Befund und im Röntgenbild zum Ausdruck kommt. Ziehen wir von diesen Fällen die 4 nach der Secherschen Methode behandelten Fälle sowie 6 weitere Fälle, bei denen auf Wunsch der Patienten die Kur vorzeitig abgebrochen werden mußte, ab, so verbleiben 44 Fälle, von denen also 43% deutlich gebessert wurden. Diese Zahl scheint uns bemerkenswert in Anbetracht des schweren Charakters der behandelten Fälle. Sie würde wahrscheinlich noch höher sein, wenn uns schon im Anfang unsere jetzige Erfahrung zur Verfügung gestanden hätte, denn bei der Durchsicht unseres Materials ist es uns aufgefallen, daß fast alle in der letzten Zeit behandelten Fälle einen günstigeren Verlauf genommen haben. Besonders möchten wir auf die Tatsache hinweisen, daß sich unter den 19 gebesserten Fällen 12 meist sehr schwere im akuten exsudativen Stadium befanden, also 63%, während unter den 25 Ungebesserten, Verschlechterten oder Gestorbenen nur 10 exsudative, i. e. 40%, vorhanden waren.

Wenn wir auch nicht so weit gehen wollen, dieses günstige Resultat allein der Sanocrysinbehandlung zuzuschreiben, so geht doch aus der Gegenüberstellung zum mindesten hervor, daß die akute Phthise bei vorsichtiger Behandlung durch das sehr differente Sanocrysin nicht ungünstig beeinflußt wird, während sonst bekanntlich der akute Charakter der Erkrankung eine Kontraindikation für jede eingreifendere Therapie, nämlich für die Tuberkulinbehandlung und bis zu einem gewissen Grade auch für das Pneumothoraxverfahren bildet. Es geht daraus hervor, daß frische exsudative Fälle, ein besonders günstiges Feld für die Sanocrysinbehandlung sind. Auch in einigen chronischen fibrösen Fällen sahen wir günstigen Verlauf, wogegen anscheinend die ausgesprochen kavernösen Phthisen wenig beeinflußt wurden.

Von unzweifelhaft gutem Einfluß ist die Sanocrysinbehandlung bei den exsudativen Fällen auf die Temperatur; es wird sich deshalb empfehlen, die Sanocrysinkur in fieberhaften Fällen als vorbereitende Heilmethode der Pneumothoraxbehandlung oder der Thorakoplastik vorauszuschicken. Frische Herde der weniger erkrankten Seite können auf diese Weise vielleicht zum Stillstand gebracht werden. Tuberkelbazillenfreiheit erzielten wir nur in 7 Fällen, dagegen waren die Röntgenbefunde in 14 Fällen deutlich, zum Teil erstaunlich gebessert. Ob diese Besserungen als dauernde zu bezeichnen sind, ist bei der Kürze der Beobachtungszeit natürlich noch nicht zu sagen, sodaß es verfrüht wäre, von wirklichen Heilungen zu sprechen. Jedenfalls erscheint uns das Sanocrysinverfahren aussichtsreich genug, um es weiterhin auf seine Wirksamkeit zu prüfen.

Wenn wir nun noch einmal unsere Erfahrungen über die Dosierung zusammenfassen, so empfehlen wir für den Anfang das einschleichende Verfahren von Permin mit Anfangsdosen von 0,05 bis 0,1 g und allmählich steigenden Dosen in Intervallen von 8 Tagen; es gelingt so am besten, die Behandlung der Sanocrysinempfindlichkeit anzupassen und sich vor unliebsamen Ueberraschungen zu schützen. Für fieberhafte Fälle ist es überhaupt das einzig empfehlenswerte Verfahren. Nach eingetretener Entfieberung oder bei von vornherein fieberlos verlaufenden Phthisen kann auch das Verfahren von Bogason (s. o.) empfohlen werden. Mit welcher Methode bessere Resultate erhalten werden, läßt sich auf Grund des vorliegenden Materials noch nicht entscheiden. Die Methode von Faber ist entschieden aussichtsreich, bedarf jedoch einer weiteren Ausarbeitung der Indikationsstellung.

Wir kommen zu dem Schluß: Das Sanocrysin ist zwar nicht das Heilmittel der menschlichen Tuberkulose, aber in geeigneten Fällen von entschieden günstigem Einfluß auf den Verlauf der Erkrankung.

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