Dtsch Med Wochenschr 1909; 35(24): 1053-1059
DOI: 10.1055/s-0029-1201526
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber die Veränderung unserer kriegschirurgischen Anschauungen und Aufgaben1)

Oberstabsarzt Kayser - Dozent für Chirurgie
  • Aus der Kölner Akademie für praktische Medizin
1) Vortrag, gehalten auf der 80. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Köln.
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Publication Date:
01 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Behandlung der Schußwunden auf dem modernen Kriegsschauplatz ist immer mehr zu einer abwartenden geworden. Streng wird diese gefordert bei den Schußverletzungen der Extremitäten, der Lungen, des Herzens und der Bauchhöhle. Die prinzipielle aktive Inangriffnahme der Tangentialschüsse des Schädels und der Gefäßschüsse ist ebenso wie die Zurückhaltung bei den Bauchverletzungen eine praktisch indizierte, den Verhältnissen des Feldes angepaßte. Die ärztlichen Maßnahmen in den vorderen Linien (Gefäßunterbindungen, Darreichung von Analepticis, primäre Amputation, Boutonnière und Tracheotomie) sind von untergeordneter Bedeutung; nur die Gipsverbandapplikation hat ihr Bürgerrecht behauptet. Die erste Hilfe leistet die Truppe sich selbst. Daraus ergibt sich die hohe Bedeutung des lange Zeit hindurch bespöttelten Verbandpäckchens, dessen praktischer Wert heute außer Zweifel steht.

Unsere praktischen chirurgischen Fortschritte sind auf dem Weg der Empirie gewonnen. Die heutigen Vorstellungen der Geschoßwirkung, welche wir als eine hydrodynamische auffassen, und die Erkenntnis, daß die Schußwunde in praxi als eine nicht infizierte Wunde anzusehen ist, geben aber unseren modernen therapeutischen Anschauungen ihre theoretische Begründung. Nur auf der Grundlage dieses exakten Wissens konnten die kategorischen Forderungen eines einheitlichen Verbandes und einer nicht individualisierenden, schablonenmäßigen Behandlung allgemeine Anerkennung gewinnen. Die noch schwebenden Fragen sind vorwiegend organisatorischer Natur. Sie betreffen den Krankentransport und die Krankenverteilung. Ihre praktische Lösung ist die erste Aufgabe weiterer zielbewußt einsetzender Arbeit in einem künftigen Feldzug.

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