Dtsch Med Wochenschr 1909; 35(42): 1822-1825
DOI: 10.1055/s-0029-1201789
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Kenntnis der westfälischen Epidemie von akuter Kinderlähmung

Vorläufige MitteilungPaul Krause - Direktor der Medizinischen Poliklinik in Bonn
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Publication Date:
01 August 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Die akute Kinderlähmung ist eine akute Infektionskrankheit. Beweis: gehäuftes Auftreten, Gruppenerkrankung in einer Familie, Infektion durch menschliche Zwischenträger. 2. Die akute Kinderlähmung ist der Hauptsache nach eine Kinderkrankheit; im zweiten Lebensjahre besteht die größte Empfänglichkeit. In seltenen Fällen erkranken daran auch Erwachsene. 3. Die akute Kinderlähmung scheint eine Krankheit der warmen Monate zu sein. 4. Die akute Kinderlähmung kommt in dichtbewohnten Bezirken wie in einsam liegenden Häusern verkehrsarmer Gegenden vor. 5. Die Uebertragung der Krankheit durch Zwischenträger ist in seltenen Fällen sicher nachgewiesen. Der eigentliche Infektionsmodus ist noch unbekannt. Nahrungsmittel, Ungeziefer scheinen nicht in Betracht zu kommen. In Westfalen (wie in Schweden) wurde mehrfach ein auffallendes gleichzeitiges Sterben von jungen Hühnern festgestellt. 6. Anatomisch findet sich stets eine geringe Leptomeningitis und mikroskopisch nur geringe Veränderungen des Gehirns und Rückenmarks; in acht Fällen bestanden regelmäßig ausgedehnte katarrhalische Veränderungen des Dünn- und Dickdarms, Milztumor und Schwellung der Mesenterialdrüsen. 7. Als Eintrittspforte des vermuteten Virus kann mit Wahrscheinlichkeit der Magen-Darmtractus gelten; jedenfalls gingen in der Hagener Epidemie in mehr als 90% der Fälle der Lähmung Magen-Darmsymptome und zwar von mehrtägiger Dauer, voraus. 8. Das krankmachende Virus ist noch unbekannt, seine Uebertragung auf Tiere ist gelungen.

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