Gastroenterologie up2date 2009; 5(4): 246-247
DOI: 10.1055/s-0029-1215242
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Divertikulitis: Adipositas trägt zu Beschwerden bei

Christian  Pox
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Publication Date:
09 December 2009 (online)

Kommentar zu:

Adipositas erhöht das Risiko für Divertikulitis und Divertikelblutungen

Obesity increases the Risks of Diverticulitis and diverticular Bleeding

Strate LL, Liu YL, Aldoori WH, Syngal S, Giovannucci EL; University of Washington School of Medicine, Seattle, Washington, USA

Hintergrund: Wenige Studien haben bisher untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Adipositas und Divertikulitis gibt. Eine große Kohortenstudie ermöglicht jetzt eine Abschätzung des Divertikulitisrisikos in Abhängigkeit von Body-Mass-Index (BMI), Bauchumfang und Taillen-Hüft-Umfang.

Methoden: Die prospektive Kohortenstudie begann im Jahr 1986. Es erklärten sich 47 228 im Gesundheitswesen beschäftigte Männer ohne eine Divertikulitis zu diesem Zeitpunkt zur Teilnahme bereit. Alle 2 Jahre füllten sie in der Folge einen Fragebogen zu Lebensgewohnheiten und dem Auftreten von Divertikulitis oder damit assoziierten Blutungen aus. Ebenso häufig wurde auch das aktuelle Gewicht dokumentiert.

Die Erfassung von Hüft- und Taillenumfang begann 1987. Die aktuelle Analyse von L.L. Strate et al. berücksichtigte auch andere typische Risikofaktoren für eine Divertikulitis, wie den Konsum von Vollkornprodukten, Fett und rotem Fleisch, körperliche Aktivität und die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika und Paracetamol.

Ergebnisse: 18 Jahre nach Studienbeginn hatten die Untersucher 801 Fälle einer Divertikulitis und 383 Fälle einer divertikulitisbedingten Blutungskomplikation dokumentiert. Im Vergleich zu Teilnehmern mit einem BMI < 21 kg/m2 zeigten diejenigen mit einem BMI ≥ 30 kg/m2 unabhängig von anderen Risikofaktoren ein signifikant um 78 % erhöhtes Risiko für eine Divertikulitis (relatives Risiko [RR] 1,78; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,08 – 2,94) und ein besonders deutlich erhöhtes Risiko für divertikulitisbedingte Blutungen (RR 3,19; 95 %-KI 1,45 – 7,00). Bei Übergewicht mit einem BMI < 30 kg/m2 gab es dagegen keinen statistisch signifikanten Zusammenhang.

Das signifikant erhöhte Risiko durch Adipositas bestätigte sich auch bei der Auswertung nach Taillenumfang und dem Verhältnis von Taillen- und Hüftumfang. Die Teilnehmer in der höchsten Quintile des Taillenumfangs hatten ein um 56 % erhöhtes Divertikulitisrisiko und ein um 96 % erhöhtes Risiko für Divertikulitisblutungen gegenüber Teilnehmern in der niedrigsten Quintile. Bei einem Taille-Hüft-Verhältnis in der höchsten Quintile lag das Divertikulitisrisiko um 62 % und das Blutungsrisiko um 91 % über dem der Teilnehmer in der niedrigsten Quintile.

Folgerungen: Adipositas und Bauchfett erhöhen nicht nur das Risiko für kardiovaskuläre und Krebserkrankungen, sondern auch für die Divertikulitis und insbesondere für assoziierte Blutungskomplikationen, so die Autoren. Das gilt unabhängig von anderen bekannten Risikofaktoren, wie dem Konsum von wenigen Vollkornprodukten, aber viel Fett und rotem Fleisch oder mangelnder Bewegung.

Gastroenterology 2009; 136: 115 – 122

(zusammengefasst von Friederike Klein, München)

Bekannte Risikofaktoren. Die Divertikulose ist eine in der westlichen Welt weit verbreitete Erkrankung. Die Prävalenz steigt mit dem Lebensalter an. Während bei 40-Jährigen lediglich bei etwa 5 % Divertikel gefunden werden, lassen sie sich bei mehr als 50 % der über 65-Jährigen nachweisen. Die Divertikulose selber verursacht in der Regel keine Beschwerden. Bei rund 10 – 25 % der Betroffenen entwickelt sich jedoch im Verlauf eine Komplikation in Form einer Divertikulitis oder einer Divertikelblutung. Die Ursache für die Entstehung dieser Komplikationen ist ungeklärt. Bekannte Risikofaktoren für die Entstehung einer Divertikulitis sind eine ballstoffarme, fettreiche Ernährung, Konsum von rotem Fleisch, geringe körperliche Aktivität sowie die Einnahme von steroidalen Antirheumatika und Paracetamol. Hingegen konnte in einer Studie aus dem Jahr 2008 gezeigt werden, dass es anders als bisher angenommen keinen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Nüssen und Popcorn und der Entstehung einer Divertikulitis gibt.

Bedeutung der Adipositas. Auch wenn die Mehrzahl der Divertikulitisepisoden bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie komplikationslos verläuft, können die Folgen einer Divertikulitis unter Umständen schwerwiegend sein. So wurde in einer kürzlich veröffentlichten Studie gezeigt, dass die Rate an freier peritonealer Perforation im Rahmen einer Divertikulitis und hierdurch bedingter Todesfälle in Großbritannien in den letzten Jahren zugenommen hat. Auch die Adipositas nimmt weltweit zu. So waren im Jahr 2006 in Deutschland 20,5 % der Männer und 21,2 % der Frauen adipös, mit einer deutlichen Zunahme mit dem Alter. Insofern ist die prospektive Kohortenstudie aus den USA, in der erstmals zweifelsfrei ein Zusammenhang zwischen Adipositas und der Entstehung einer Divertikulitis gezeigt werden konnte, von wesentlicher Bedeutung. Der Pathomechanismus für ein höheres Divertikulitisrisiko bei Adipositas ist unklar. Vermutet werden eine veränderte Darmflora bei adipösen Personen sowie vom Fettgewebe freigesetzte proentzündliche Zytokine. Eine Einschränkung der Studie ist die Tatsache, dass es sich um eine rein männliche Studienpopulation handelt. Es ist aber zu vermuten, dass die Ergebnisse auf Frauen zu übertragen sein dürften.

Dr. Christian Pox

Medizinische Klinik
Ruhr-Universität-Bochum
Knappschaftskrankenhaus

In der Schornau 23 – 25
44892 Bochum

Email: christian.p.pox@ruhr-uni-bochum.de

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