PiD - Psychotherapie im Dialog 2009; 10(4): 308-313
DOI: 10.1055/s-0029-1223385
Aus der Praxis

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Patientenautonomie” in der Personzentrierten und Focusing-orientierten Psychotherapie[1]

Johannes  Wiltschko
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Publication Date:
20 November 2009 (online)

Zusammenfassung

Das Thema „Patientenautonomie” hängt mit der Frage zusammen, inwiefern sich Psychotherapeuten gegenüber ihren Klienten als „Experten” verhalten und sich so über sie stellen. Personzentrierte Psychotherapie überlässt den Klienten die Entscheidungs- und Deutungshoheit darüber, was für sie richtig ist. Focusing-Prozesse generieren ganz persönliche Bedeutungen, die auch für andere verständlich sind. Dargestellt wird, wie man Klienten dabei unterstützen kann, Subjekt ihrer „Welt” zu werden als „autonome” Person, die immer schon und nur in ständiger Wechselwirkung mir ihrer Mitwelt existiert. Es wird dafür plädiert, sich im Zuge der fortschreitenden Professionalisierung der Psychotherapie zurückzubesinnen auf das, was allen fachlichen Bemühungen vorausgeht und sie zugleich übersteigt: den „Patienten” als Mitmenschen zu sehen und ihn auch so zu behandeln. Dafür werden einige theoretische und praktische Grundlagen geliefert.

1 Für die von Carl Rogers grundgelegte psychotherapeutische Richtung haben sich im deutschen Sprachraum die Bezeichnungen „Gesprächspsychotherapie”, „Klientenzentrierte Psychotherapie” und „Personzentrierte Psychotherapie” etabliert, für die von Eugene Gendlin begründete Therapieform „Focusing-orientierte Psychotherapie” und „Focusing-Therapie”.

Literatur[7]

  • 1 Geisler L S. Patientenautonomie – eine kritische Begriffsbestimmung.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 453-456
  • 2 Gendlin E T. A theory of personality change. In: Worchel P, Byrne D, Hrsg Personality change. New York: Wiley, 1964 : 100–148 (deutsch: Eine Theorie des Persönlichkeitswandels. Studientexte 1.) Würzburg; DAF 2003 2: 7-19
  • 3 Gendlin E T. Thinking beyond patterns: body, language and situations. In: den Ouden B, Moen M, Hrsg The presence of feeling in thought. New York; Peter Lang 1992: 25-151
  • 4 Gendlin E T. Focusing-oriented psychotherapy. New York; Guilford 1996 (deutsch: Focusing-orientierte Psychotherapie. Ein Handbuch der erlebensbezogenen Methode. Stuttgart: Klett-Cotta 1998).
  • 5 Gendlin E T. The responsive order: a new empiricism.  Man and World. 1997;  30 383-411
  • 6 Gendlin E T, Wiltschko J. Focusing in der Praxis. Eine schulenübergreifende Methode für Alltag und Psychotherapie. Stuttgart; Klett-Cotta 1999
  • 7 Hendricks M N. Research basis of focusing-oriented / experiential psychotherapy. In: Cain D, Seeman J, eds Humanistic Psychotherapy: Handbook of research and practice. Washington D. C.; American Psychological Association 2002 dt: Focusing-orientierte Psychotherapie. Ein Überblick über Theorie, Forschung und Praxis. Focusing-Journal spezial. Würzburg: DAF, 2000
  • 8 Hendricks M N. Die Rolle des Experiencing in der Psychotherapie. Die Beachtung des Felt Sense als verfahrensübergreifende Variable.  Focusing-Journal. 2009;  1 12-22
  • 9 Rogers C R. The necessary and sufficient conditions of therapeutic personality change.  J consult Psychol. 1957;  21 95-103
  • 10 Stumm G, Wiltschko J, Keil W Hrsg. Grundbegriffe der Personzentrierten und Focusing-orientierten Psychotherapie und Beratung. Stuttgart; Klett-Cotta 2000
  • 11 Wiltschko J. Das Einbeziehen des Körpers ins Focusing und in die Focusing-Therapie.  Psychotherapie im Dialog. 2006;  7 (2) 180-184
  • 12 Wiltschko J. Experiencing-Theorie und Focusing-Therapie. Konzepte und Methoden im Umgang mit strukturgebundenem Erleben. In: Kriz J, Slunecko T, Hrsg Gesprächspsychotherapie. Die therapeutische Vielfalt des personzentrierten Ansatzes. Wien; Facultas UTB 2007: 95-108
  • 13 Wiltschko J Hrsg. Focusing und Philosophie. Eugen T. Gendlin über die Praxis erlebensbezogenen Philosophierens. Wien; Facultas 2008 a
  • 14 Wiltschko J. Focusing-Lektionen für Personzentrierte Psychotherapeuten – Oder: Was lernt man eigentlich in einer Focusing-Therapieausbildung?. In: Tuczai M, Stumm G, Kimbacher D, Nemeskeri N, Hrsg Offenheit und Vielfalt. Personzentrierte Psychotherapie: Grundlagen, Ansätze, Anwendungen. Wien; Krammer 2008 b: 61-76

1 Für die von Carl Rogers grundgelegte psychotherapeutische Richtung haben sich im deutschen Sprachraum die Bezeichnungen „Gesprächspsychotherapie”, „Klientenzentrierte Psychotherapie” und „Personzentrierte Psychotherapie” etabliert, für die von Eugene Gendlin begründete Therapieform „Focusing-orientierte Psychotherapie” und „Focusing-Therapie”.

2 Ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich mich aus ausschließlich stilistischen Gründen nicht in der Lage sehe, geschlechtsneutrale Formulierungen zu gebrauchen.

3 Dabei wird häufig unterschlagen, dass Rogers die therapeutische Grundhaltung nur dann für hinreichend hielt, wenn gleichzeitig auch der Klient gewisse Grundbedingungen erfülle: ein Mindestmaß an Kontaktfähigkeit, an Selbstwahrnehmung und an der Fähigkeit, die ihm vom Therapeuten entgegengebrachte Grundhaltung wahrzunehmen (Rogers 1957, Stumm, Wiltschko u. Keil 2000, S. 147 ff.). Zudem werden durch das Attribut „hinreichend” weitere therapeutische Aktivitäten ja keineswegs ausgeschlossen!

4 Ich setze das Wort Körper in Anführungszeichen, um damit anzudeuten, dass ich es hier und im Folgenden gemäß der Gendlinschen Bedeutung gebrauche, die sich vom herkömmlichen Verständnis des Körpers grundlegend und weitreichend unterscheidet (s. Gendlin u. Wiltschko 1999, S. 30 ff., Wiltschko 2006, 2008a, S. 112 ff.).

5 Dieses Prinzip, the order of carrying forward, ist ein Kernstück des Gendlinschen Philosophierens (siehe Gendlin 1997, Gendlin u. Wiltschko 1999, S. 178 ff.).

6 Listening bezieht sich nicht nur auf verbal Ausgedrücktes. Auch die nicht verbalen (körperlichen, stimmlichen) Ausdrucksweisen werden vom Therapeuten wahrgenommen und dem Erlebensprozess des Klienten durch das sog. Markieren zugänglich gemacht. Eine weitere Variante des Listening ist das Partialisieren, welches die Identifikation des Klienten mit einem Erlebensinhalt aufhebt als Voraussetzung dafür, zu diesem Inhalt (z. B. einem Gefühl) in Beziehung treten zu können, besonders zu dessen noch impliziten Aspekten. („Etwas in Ihnen weiß jetzt nicht mehr weiter.” „Da fühlt sich etwas gerade ganz verzweifelt an.”)

7 Literatur zum Herunterladen: www.focusing-daf.de, www.focusing.org

Dr. Johannes Wiltschko

Deutsches Ausbildungsinstitut für Focusing und Focusing-Therapie (DAF)

Ludwigstraße 8a

97070 Würzburg

Email: johanneswiltschko@msn.com

URL: http://www.focusing-daf.de

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