PiD - Psychotherapie im Dialog 2009; 10(4): 331-335
DOI: 10.1055/s-0029-1223387
Aus der Praxis

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Paradox der Autonomie

Anette  Fintz
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Publication Date:
20 November 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Autorin nimmt zunächst eine neue Kontextualisierung des Autonomiebegriffs in Hinblick auf die Psychotherapie vor. Sie kommt dadurch auf ein Paradox, das therapeutisch verwertbar wird: Autonomie im Sinne der Selbstentscheidung und -verantwortung steht am Anfang und ist doch das Ziel einer Therapie. Autonomie muss also vorausgesetzt werden, um sie verwirklichen zu können. Wie Patientenautonomie therapeutisch wirksam ist, wird durch ein klinisches Fallbeispiel von Anna-Lena deutlich, die an Magersucht leidet. Ebenso deutlich wird an diesem Beispiel, inwiefern Autonomie keine Methode, vielmehr ein Wagnis darstellt, das im Therapeutenteam zu Differenzen führen kann. Therapeutischer Hintergrund der Autorin ist die Existenzanalyse (Logotherapie) von Viktor Frankl, sowie das anthropologische Konzept existenzieller Denker, namentlich Karl Jaspers. Der philosophisch fundierte und appellative Charakter der Therapie führt zu einer weiteren These: Patientenautonomie setzt die Autonomie des Therapeuten voraus.

Literatur

  • 1 Fintz A. Die Kunst der Beratung. Jaspers' Philosophie in Sinn-orientierter Beratung. Bielefeld, Locarno; Edition Sirius 2006
  • 2 Frankl V. Ärztliche Seelsorge. Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse (1946). Frankfurt / M; Fischer 1994
  • 3 Fromm E. Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. Stuttgart; Deutsche Verlagsanstalt 1976
  • 4 Geisler L S. Patientenautonomie – eine kritische Begriffsbestimmung.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 453-456
  • 5 Jaspers K. Allgemeine Psychopathologie. Ein Leitfaden für Studierende, Ärzte und Psychologen (7. erw. Aufl. 1942). Berlin, Heidelberg, New York; De Gruyter 1973
  • 6 Jaspers K. Psychologie der Weltanschauungen (1919). München; Piper 1994
  • 7 Kant I. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung. In: Berlinische Monatsschrift, Dezember-Heft 1784, S. 481–494 Königsberg in Preußen, 1784; Nachdruck in: Werke in zwölf Bänden Bd. 11. Frankfurt / M.: Suhrkamp, 1977; In Auszügen im web: . http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/WISSENSCHAFTPHILOSOPHIE/KantAufklaerung.shtml
  • 8 Kierkegård S. Die Krankheit zum Tode. Hamburg; Europäische Verlagsanstalt 2002
  • 9 Plessner H. Die Stufen des Organischen und der Mensch (1929). In: Plessner H Gesammelte Schriften. Bd. 4. Frankfurt / M; Suhrkamp 1981

Dr. Anette Fintz

Institut für Sinn-Orientierte-Beratung

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