Gastroenterologie up2date 2010; 6(2): 82-83
DOI: 10.1055/s-0029-1244110
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Akutes Ansprechen auf Betablocker korreliert gut mit deren Langzeiterfolg in der Primärprophylaxe der Ösophagusvarizenblutung bei Patienten mit Zirrhose

Alexander  Zipprich
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Publication Date:
22 June 2010 (online)

Kommentar zu:

Akutes hämodynamisches Ansprechen auf Betablocker und Vorhersage der Langzeitprognose in der Primärprophylaxe der Ösophagusvarizenblutung

Acute hemodynamic response to beta-blockers and prediction of long-term outcome in primary prophylaxis of variceal bleeding

Villanueva C, Aracil C, Colomo A, Hernandez-Gea V, Lopez-Balaguer JM, Alvarez-Urturi C, Torras X, Balanzo J, Guarner C; Gastrointestinal Bleeding Unit, Department of Gastroenterology, Hospital de la Santa Creu i Sant Pau, Autonomous University, Barcelona, Spain

Hintergrund: Der Prognosewert der Lebervenendruckgradienten-Überwachung ist in der Sekundärprävention von Ösophagusvarizenblutungen unbestritten. In der Primärprophylaxe wird sein Stellenwert aufgrund des niedrigen positiven Vorhersagewerts dagegen bezweifelt. Zu Recht, wie die Ergebnisse einer spanischen Studie nun belegt haben. Der Erfolg einer hämodynamisch gesteuerten Portaldrucksenkung ist definiert als Reduktion des Lebervenendruckgradienten (HVPG) < 12 mm Hg bzw. ein Abfall um mindestens 20 %. C. Villanueva et al. untersuchten, ob in der Primärblutungsprophylaxe ein rasches Ansprechen auf Betablocker Rückschlüsse auf die Langzeitprognose zulässt und ob in diesem Zusammenhang die Definition des hämodynamischen Ansprechens geändert werden muss.

Methoden: An der Studie nahmen 105 Patienten mit Leberzirrhose und großen Varizen (≥ 5 mm) teil, bei denen bislang keine Blutung aufgetreten war. Bei allen Teilnehmern bestimmten die Autoren den Portaldruck, indirekt gemessen als HVPG. Die Patienten erhielten anschließend Propanolol i. v., und die Messungen wurden 20 min später wiederholt, um das akute Ansprechen zu dokumentieren. Fortgesetzt wurde die Betablockertherapie mit oralem Nadolol (beginnend mit 40 mg/d bis zu einer Ruheherzfrequenz von 50/min oder einer Frequenzabsenkung um 25 %). Um das langfristige Ansprechen festzustellen, folgten nach 1 – 3 Monaten erneute Messungen. Primäre Endpunkte waren gastrointestinale bzw. Varizenblutungen und Tod jeglicher Ursache.

Ergebnisse: Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 25 Monaten erlitten 16 Patienten (15 %) eine Erstblutung. Der optimale Grenzwert zur Vorhersage eines kurzfristigen Ansprechens auf die prophylaktische intravenöse Betablockertherapie war ein HVPG-Abfall > 10 % vom Ausgangswert (Sensitivität 81 %, Spezifität 80 %). Zum Vergleich: Bei einem Cut-Off-Wert ≥ 20 % hätte die Sensitivität 94 %, die Spezifität aber nur 40 % betragen. Gemäß den neuen Kriterien (HVPG < 12 mm Hg bzw. Abfall ≥ 10 %) sprachen 75 der 105 Patienten auf die Ersttherapie an. Das Erstblutungsrisiko war bei Respondern im Vergleich zu Non-Respondern signifikant niedriger (4 vs. 46 %), ebenso das Risiko, einen Aszites zu entwickeln. Hinzu kamen nicht signifikante Überlebensvorteile. Nur bei Non-Respondern war der NIEC-Index (North Italian Endoscopic Club) von zusätzlichem Prognosewert (Blutungsrate 75 % bei Index > 30 vs. 22 % bei Index ≤ 30). Auch Patienten mit langfristigem Ansprechen auf orales Nadolol erlitten wesentlich seltener eine Varizenblutung als Non-Responder (2 vs. 46 %). Erneut zeigten sich ein geringeres Aszites- und ein geringeres Sterberisiko. Insgesamt hatten 47 von 73 nachbeobachteten Patienten auf Nadolol angesprochen. Neben der hämodynamischen Antwort erwiesen sich „Red Colour Signs” auf den Varizen als weiterer unabhängiger Prädiktor für eine Blutung. 85 % der Akut-Responder zeigten auch ein langfristiges Ansprechen, während 90 % der Akut-Non-Responder auch langfristig nicht auf Betablocker ansprachen.

Folgerungen: Ein akutes hämodynamisches Ansprechen auf die intravenöse Gabe von Betablockern eignet sich als Prognosefaktor für das erstmalige Auftreten einer Varizenblutung. In der Erstblutungsprophylaxe erweist sich eine Reduktion des HVPG um mindestens 10 % als optimaler Schwellenwert zur Definition des Therapieansprechens, so die Autoren.

Gastroenterology 2009; 137: 119 – 128

(zusammengefasst von Renate Ronge, Münster)

Betablocker und HVPG. Die Behandlung von Patienten mit Leberzirrhose und Ösophagusvarizen besteht in der Gabe eines unselektiven Betablockers zur Senkung des portalen Drucks. Der Erfolg der Therapie wird dabei durch Messung des Lebervenenverschlussdruckgradienten (HVPG) überprüft. Die Messung des HVPG erfolgt invasiv und muss ohne sowie unter Betablockertherapie durchgeführt werden. Obwohl die Messung des HVPG die einzige Methode zur Bestimmung des Therapieerfolges ist, wird sie nur in wenigen Zentren durchgeführt.

Klassische Zielkriterien. Klassische Zielkriterien der Betablockertherapie sind die Senkung des HVPG unter 12 mmHg oder um mehr als 20 %. Diese Kriterien sind gut etabliert in der Sekundärprophylaxe, also bei der Therapie zur Verhinderung einer erneuten Ösophagusvarizenblutung. Demgegenüber sind zur Verhütung einer initialen Ösophagusvarizenblutung (Primärprophylaxe) die Zielkriterien schlechter untersucht, und es ist nicht sicher geklärt, ob die klassischen Zielkriterien hier ebenfalls anwendbar sind.

Villanueva et al. untersuchten in ihrer Arbeit sowohl die Aussagekraft eines akuten Ansprechens auf eine intravenöse Betablockergabe in Bezug auf ein chronisches Ansprechen der Therapie als auch die Zielkriterien zur Senkung des HVPG im Rahmen der Primärprophylaxe.

Korrelation zwischen akuter und chronischer Drucksenkung. Die Autoren konnten in der jetzt publizierten Arbeit eine gute Korrelation zwischen der akuten und der chronischen Senkung des HVPG zeigen. Bei 85 % der Patienten mit einer akuten Druckreduktion kam es auch im weiteren Verlauf unter der Langzeittherapie mit Nadolol zu einer relevanten Abnahme des HVPG. Die hier gezeigte bessere Korrelation von akuter und chronischer Senkung des HVPG im Vergleich zu früheren Studien [1] wird dabei vor allem durch die intravenöse Gabe des Betablockers zur akuten Reduktion begründet.

10 %ige HVPG-Senkung. Obwohl eine HVPG-Reduktion nach den klassischen Kriterien (Senkung um mindestens 20 %) eine sehr gute Sensitivität aufwies (94 %), war die Spezifität mit 40 % gering. Als günstigerer Wert mit höherer Spezifität (80 %) und unverändert guter Sensitivität (81 %) erwies sich eine HVPG-Reduktion von mindestens 10 %. Eine Senkung des HVPG um mindestens 10 % scheint somit zur Prävention einer ersten Ösophagusvarizenblutung (Primärprophylaxe) ausreichend zu sein. Die Minimierung des HVPG um 10 % korreliert auch gut mit früheren Arbeiten, die zeigten, dass eine 10 %ige Senkung des HVPG auch für das Entstehen von Varizen und für die Dekompensation der Zirrhose ein sehr guter prädiktiver Wert ist [2] [3].

Fazit. Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass die akute Reduktion des HVPG durch eine intravenöse Betablockergabe gut mit dem langfristigen Ansprechen auf eine orale Betablockertherapie korreliert. Damit könnte sich das Management für Patienten mit Zirrhose durch die möglicherweise nicht mehr notwendige zweite Messung des HVPG vereinfachen. Eine Senkung des HVPG durch eine Betablockertherapie um mindestens 10 % scheint bei Patienten mit Zirrhose im Rahmen der Primärprophylaxe zur Risikoreduktion einer Ösophagusvarizenblutung ausreichend zu sein.

Literatur

  • 1 Merkel C, Bolognesi M, Sacerdoti D. et al . Disagreement between acute and chronic haemodynamic effects of nadolol in cirrhosis: a pathophysiological interpretation.  Aliment Pharmacol Ther. 2005;  22 433-439
  • 2 Groszmann R J, Garcia-Tsao G, Bosch J. et al . Beta-blockers to prevent gastroesophageal varices in patients with cirrhosis.  N Engl J Med. 2005;  353 2254-2261
  • 3 Ripoll C, Groszmann R, Garcia-Tsao G. et al . Hepatic venous pressure gradient predicts clinical decompensation in patients with compensated cirrhosis.  Gastroenterology Aug. 2007;  133 481-488

Dr. med. A. Zipprich

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I

Ernst-Grube-Straße 40
06120 Halle/Saale

Email: alexander.zipprich@medizin.uni-halle.de

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