Dtsch Med Wochenschr 2010; 135(23): 1165
DOI: 10.1055/s-0030-1255123
Editorial
Infektiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Infektiologie: Ein Querschnittsfach tritt aus dem Schatten

Infectiology: an interdisciplinary field emerges from the shadowsG. Fätkenheuer1
  • 1Klinik I für Innere Medizin, Klinikum der Universität zu Köln
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Publication Date:
31 May 2010 (online)

Das vorliegende Heft der Deutschen Medizinischen Wochenschrift ist dem Thema Infektionskrankheiten gewidmet und erscheint aus Anlass des 10. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (KIT), der vom 23. – 26.6.2010 in Köln stattfindet. Der Inhalt des Heftes spiegelt die Vielfalt der Erkrankungen wider, denen sich die Infektiologie widmet. Die Beiträge haben die HIV-Infektion, die Hepatitis, die Spondylodiszitis, Pneumokokkenerkrankungen und Mykobakteriosen zum Thema. Nicht zufällig stellen Kasuistiken einen wichtigen Bestandteil dar. Als Querschnittsfach, das zu fast allen Bereichen der klinischen Medizin Verbindungen hat, nutzt die Infektiologie die interdisziplinäre Falldiskussion in besonderem Maße sowohl für die Behandlung des einzelnen Patienten als auch zur Fortbildung.

Obwohl Infektionskrankheiten weit verbreitet und ein wesentlicher Faktor für Morbidität und Mortalität sind (man denke nur an das Problem der nosokomialen Infektionen auf Intensivstationen), führt die Infektiologie als klinisches Fach in Deutschland eher ein Schattendasein. Es gibt an Universitäten nur vereinzelt Lehrstühle für das Fach, und die Zusatzausbildung Infektiologie ist für Internisten zwar möglich, Leitungspositionen in diesem Bereich gibt es in deutschen Krankenhäusern (im Gegensatz beispielsweise zu der Schweiz) aber praktisch nicht.

Die Beiträge in diesem Heft mögen dem Leser einen kleinen Eindruck davon geben, wie vielseitig und spannend dieses Fach ist. Vielleicht können sie auch dazu beitragen, die häufig geäußerte Vermutung zu korrigieren, Infektiologie sei gleichbedeutend mit einer Instruktion zum richtigen Einsatz von Antibiotika. Dies ist natürlich ein wesentlicher Teilaspekt, aber bei weitem nicht alles. Infektionskrankheiten können auf der einen Seite zum Teil schwierig zu behandelnde eigenständige Krankheitsbilder sein, andererseits stellen sie eine sehr häufige Möglichkeit in der Differentialdiagnose verschiedenster Krankheiten dar. Deshalb muss der klinische tätige Infektiologe eine breite Ausbildung auf dem gesamten Gebiet der Inneren Medizin haben und sehr erfahren sein. Die Breite des Fachgebietes macht es aber auch gerade für Studenten und für junge Ärzte interessant.

Daneben ist die Infektiologie auch im wissenschaftlichen Bereich ein sehr dynamisches Fach. Ein Blick in führende internationale Journale mit fachübergreifender Ausrichtung zeigt rasch, dass hier infektiologische Themen einen breiten Raum einnehmen. Die HIV-Epidemie hat in den letzten beiden Jahrzehnten einen erheblichen Anteil daran gehabt, dass die Infektiologie zu einem bedeutenden wissenschaftlichen Feld geworden ist. Hier sind die therapeutischen Erfolge auch am größten gewesen. Solange es keine Heilung gibt, wird diese Erkrankung aber weiterhin ein wichtiges medizinisches Problem bleiben.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von anderen infektiologischen Themen, die uns in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen werden. Beispielhaft sei hier nur die zunehmende Resistenzentwicklung, insbesondere bei gramnegativen Bakterien und bei der Tuberkulose, genannt. Diese Entwicklungen werden in zunehmendem Maße eine spezifische Expertise notwendig machen. So ist vorhersehbar, dass die Infektiologie auch in Deutschland weiter an Bedeutung gewinnen wird. Und es ist zu hoffen, dass sich dies auch in vermehrten Ausbildungsmöglichkeiten und in verbesserten Berufschancen niederschlagen wird.

Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer

Klinik I für Innere Medizin, Klinikum der Universität zu Köln

Kerpener Str. 62

50937 Köln

Email: g.faetkenheuer@uni-koeln.de

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