Gastroenterologie up2date 2011; 7(3): 164-165
DOI: 10.1055/s-0030-1256627
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Vierfachtherapie bei Helicobacter pylori: alter Wein in neuen Schläuchen

Joachim  Labenz
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Publication Date:
23 September 2011 (online)

Kommentar zu: Helicobacter-pylori-Eradikation mit einer Kapsel, die Wismut, Metronidazol und Tetrazyklin enthält, zusammen mit Omeprazol versus Clarithromycin-basierte Tripeltherapie: eine randomisierte, auf Nichtunterlegenheit angelegte Open-Label-Phase-3-Studie

Helicobacter pylori eradication with a capsule containing bismuth subcitrate potassium, metronidazole, and tetracycline given with omeprazol versus clarithromycin-based triple therapy: a randomised, open-label, non-inferiority, phase 3 trial

Malfertheiner P, Bazzoli F, Delchier JC, Celinski K, Giguere M, Riviere M, Megraud F; Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Otto-von-Guericke-Universtität, Magdeburg, Germany; Collective Name: Pylera Study Group

Hintergrund: Helicobacter pylori ist ein ubiquitär vorkommendes Bakterium, das für eine Vielzahl gastroenterologischer Erkrankungen verantwortlich ist, wie z. B. peptische Magenulzera, Magenkarzinome und Lymphome. Inzwischen ist der Helicobacter zunehmend resistent gegen die gängigen Antibiotikaschemata. Ob eine Vierfachtherapie, als Einzelkapsel gegeben, effektiver ist als die Standardtherapie ist unklar.

Methoden: P. Malfertheiner et al. untersuchten in einer randomisierten Open-Label-Studie 438 Patienten mit nachgewiesener Helicobacter-pylori-Infektion. Sie erhielten die Standardtherapie, bestehend aus Omeprazol, Amoxicillin und Clarithromycin, über 7 Tage oder eine Vierfachtherapie über 10 Tage, bestehend aus Omeprazol und einer Kapsel, die Wismut, Metronidazol und Tetrazyklin enthielt. Die Studie war auf Nichtunterlegenheit angelegt, konnte statistisch aber auch Überlegenheit ergeben. Primärer Endpunkt war die Eradikation nach 28 und 56 Tagen, bestimmt im 13C-Atemtest.

Ergebnisse: In der Behandlungsgruppe mit Vierfachtherapie wurden 80 % der Patienten eradiziert, in der Standardtherapiegruppe 55 %. Das Sicherheitsprofil war in beiden Gruppen gleich. Nebenwirkungen waren vor allem gastrointestinaler und zentralnervöser Art.

Folgerung: Patienten mit nachgewiesener Helicobacter-pylori-Infektion sollten als Standard eine Vierfachtherapie erhalten, da zunehmend Resistenzen gegen Clarithromycin auftreten, so die Autoren. Das Sicherheitsprofil dieser Behandlung ist mit der aktuellen Standardtherapie vergleichbar.

Lancet 2011; 377: 905 – 913

(zusammengefasst von Dr. med. Christoph Feldmann, Köln)

Standardtherapien. Die Therapie des Helicobacter pylori (HP) ist klinische Routine. Sie ist ein „Muss” für alle infizierten Ulkuskranken und Patienten mit frühen Formen eines niedrigmalignen Lymphoms der Magenschleimhaut vom MALT-Typ, und sie kann bei allen Patienten mit gesicherter HP-Gastritis erwogen werden gemäß der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten [1]. In der klinischen Routine wird eine einwöchige Tripeltherapie, bestehend aus einem Protonenpumpeninhibitor, Clarithromycin und Metronidazol (sog. „italienische Tripeltherapie”) oder Amoxicillin (sog. „französische Tripeltherapie”) empfohlen. Diese Behandlungsformen sind seit Mitte der 1990er Jahre Standard. Allerdings erfüllen sie nicht die Minimalanforderungen für ein empfohlenes HP-Eradikationsschema – eine Eradikationsrate von > 80 % bei Intention-to-treat-Analyse (ITT). In der Mehrzahl der Studien lag die erzielte Eradikationsrate unter 80 % [2]. Als wesentliche Ursache hierfür wird eine zunehmende Resistenz von HP gegen Clarithromycin angesehen.

Clarithromycin-Resistenz. Die von Malfertheiner et al. publizierte Studie bestätigt das Dilemma mit der aktuell empfohlenen HP-Therapie eindrucksvoll. Je nach Analysemodus lag die ITT-Eradikationsrate der französischen Tripeltherapie zwischen 55 % und 69 % und selbst per Protokoll wurden nur 70 % erzielt. Ein wesentlicher Grund für dieses enttäuschende Ergebnis ist in einer Clarithromycin-Resistenz zu sehen. War sie vorhanden, so wurde eine Keimeradikation nur bei 8 % der behandelten Patienten erzielt. Da in Deutschland eine primäre Clarithromycin-Resistenz im europäischen Vergleich aber selten ist, lassen sich diese negativen Studienergebnisse nicht uneingeschränkt auf unsere Verhältnisse übertragen.

Vierfachtherapie. Die Studie zeigt – und bestätigt damit eine Reihe von Voruntersuchungen –, dass eine Vierfachtherapie (PPI plus 3 antibiotisch wirksame Substanzen) wirksamer ist als die Standardtripeltherapie. Prinzipielle Kritikpunkte an der vorgelegten Studie sind, dass sie offen durchgeführt wurde und dass sich die Therapiedauer in den beiden Behandlungsarmen unterschied (10 vs. 7 Tage). Hierzu muss einschränkend gesagt werden, dass sich eine Wismuttherapie wegen Schwarzfärbung von Zunge und Stuhl auch nicht wirksam verblinden lässt und dass Studien in Europa keinen Vorteil einer Verlängerung der Dauer einer PPI-Tripeltherapie über eine Woche hinaus erbracht haben. Es ist allerdings unklar, ob die Vierfachtherapie tatsächlich 10 Tage durchgeführt werden muss. Die untersuchte Vierfachtherapie ist nicht neu. Schon in den 1980er Jahren konnte gezeigt werden, dass die Kombination aus Wismut, Metronidazol und Tetrazyklin sehr wirksam ist. In den Jahren danach kristallisierte sich heraus, dass die Zugabe eines PPI die Therapieergebnisse weiter verbessert. Vorbehalte gegen dieses Schema waren immer die Komplexität und die vermeintlich schlechte Verträglichkeit.

Fazit. Die aktuelle Studie zeigt, dass die Komplexität durch galenische Formulation in einer Pille deutlich verbessert werden kann und auch die Rate an unerwünschten Wirkungen nicht höher ist als bei der Standardtherapie. Zusammen mit der Feststellung, dass das Schema unabhängig von der Resistenzlage des HP funktioniert, könnte es dadurch zu einem aussichtsreichen Kandidaten für einen neuen therapeutischen Standard werden. Eine Bestätigung der Studie steht allerdings ebenso noch aus wie ein Vergleich zur italienischen Tripeltherapie.

Literatur

  • 1 Fischbach W, Malfertheiner B, Hoffmann J C et al. S3-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit” der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).  Z Gastroenterol. 2009;  47 68-102
  • 2 Graham D Y, Fischbach L. Helicobacter pylori treatment in the era of increasing antibiotic resistance.  Gut. 2010;  59 1143-1153

Prof. Dr. med. Joachim Labenz

Medizinische Klinik
Diakonie Klinikum Jung-Stilling

Wichernstraße 40
57074 Siegen

Email: joachim.labenz@diakonie-sw.de

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