Dtsch Med Wochenschr 2010; 135(44): 2202
DOI: 10.1055/s-0030-1267501
Korrespondenz | Correspondence
Erwiderung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur aktuellen Debatte über die Senkung des LDL-Cholesterins durch Ezetimib

On the current debate on lowering LDL cholesterol with ezetimibeE. Erdmann
Further Information

Publication History

Publication Date:
26 October 2010 (online)

Erwiderung zur Zuschrift Nr. 1

Herr Kollege Breuer geht in seiner kritischen Anmerkung zu meinem Editorial [3] von der Annahme aus, dass angesichts eines relativen Anstiegs der Anteile der Subfraktion LDL IVB (sdLDL), wie sie in der Arbeit von Berneis et al. [2] gezeigt wurde, die absoluten Konzentrationen des LDL-TVB vermindert seien, da das gesamte LDL durch die Behandlung mit Ezetimib gesenkt wurde. Dieser Versuch einer simplen Umrechung ist methodisch aber falsch und nicht zulässig, da Cholesterin nicht gleichmäßig in den einzelnen LDL-Subfraktionen verteilt ist. Deshalb ist die einfache Dreisatzrechung, mit der prozentuale Anteile in Cholesterinkonzentrationen (in mg/dl) umgerechnet werden, inkorrekt und sogar irreführend. Um diese Berechnungen durchzuführen, hätte es der Bestimmung der absoluten Cholesterinkonzentrationen in den einzelnen Subfraktionen bedurft. Diese Analysen sind in der Arbeit von Berneis et al. [2] aber nicht durchgeführt worden. Die Partikelzahl in den kleinen, dichten LDL ist zunehmend größer, und die Partikel haben unterschiedliche physiokochemische Eigenschaften. Dabei haben sie zunehmend atherogene Effekte. Geringe prozentuale Änderungen bewirken dabei schon eine deutliche Zunahme der Atherogenität.

Selbst wenn Ezetimib die sdLDL erhöhen sollte, so argumentiert Herr Breuer, könne dies ja nicht so schlecht sein, denn Fibrate senken die sdLDL und hätten dennoch keinen kardiovaskulären Nutzen. Er vergisst dabei aber zu erwähnen, dass Fibrate auch die kleinen, dichten HDL3 erhöhen und die größeren HDL2 senken [2]. Diese Konstellation ist mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert [1] [6] .

Des Weiteren argumentiert Herr Breuer, dass nicht nur für Statine, sondern auch für andere Methoden der LDL-Senkung eine Verminderung des kardiovaskulären Risikos nachgewiesen wurde. Er erwähnt dabei Studien zum chirurgischen Ileum-Bypass, nach Gabe von Nikotinsäure und von Austauscherharzen. Aus diesen Gründen läge zumindest einige Evidenz für einen kardiovaskulären Nutzen für so gut wie jede Methode der LDL-Senkung vor, außer eben für Ezetimib. Mit dieser Sichtweise stimme ich voll und ganz überein.

In Bezug auf die fehlende günstige Wirkung von Ezetimib trotz guter LDL-Senkung in der ENHANCE-Studie wiederholt Breuer die häufig vorgetragene Position des Sponsors dieser Studie, MSD, „es hätte nicht am Arzneimittel gelegen, es sei einfach die falsche Studie gewesen”. Diese Position braucht nicht kommentiert zu werden.

Die endgültigen Resultate der ARBITER-Studie [7] haben gezeigt, dass die ansteigende kumulative Exposition gegenüber den LDL-senkenden Interventionen (Adhärenz ¥ Dosis ¥ Behandlungsdauer) im Falle von Nikotinsäure mit einer Regression der Intima-Media-Dicke (– 0,0128 ± 0,0078) und im Falle von Ezetimib mit einer Progression (0,067 ± 0,0059) assoziiert war.

Zusammenfassend kann ich Herrn Kollegen Breuers Sichtweise, dass eine LDL-Senkung unabhängig davon wie sie erreicht wird, in jedem Falle günstig sei, nicht zustimmen. Sehr gute Evidenz liegt nur für die Gruppe der Statine vor, ebenfalls günstig scheinen Nikotinsäure und Austauscherharze zu sein. Für Ezetimib liegt gar keine Evidenz für günstige Wirkungen hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte vor [5]. Ich bleibe bei der heutigen Datenlage dabei, Ärzte sollten sich nicht für die Therapie mit Arzneimitteln wie Ezetimib einsetzen, wenn Effektivität und Sicherheit nicht bewiessen sind und sogar die Vermutung besteht, dass Ezetimib schädlich wirkt.

Erwiderung zur Zuschrift Nr. 2

Tatsächlich ist es wahrscheinlich so, wie der Kollege Schunn schreibt – ein schlechtes Zeugnis für den deutschen Ärztestand!

Es wäre aus meiner Sicht absolut unwissenschaftlich – und wir Ärzte zählen uns doch zu den Wissenschaftlern – wenn aus finanziellen Gründen eine unwirksame oder sogar gefährdende Therapie aus merkantilen Erwägungen heraus praktiziert würde. Das wage ich nicht zu glauben! Noch lehren wir vorzugsweise eine Evidenz-basierte Therapie.

Autorenerklärung: Der Autor erklärt, dass er keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma hat, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Literatur

  • 1 Aszatalos B F. et al . Value of high-density lipoprotein (HDL) subpopulations in predicting recurrent cardiovascular events in the Veterans Affairs HDL Intervention Trial.  Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2005;  25 2185-2191
  • 2 Berneis K. et al . Ezetimibe alone or in combination with simvastatin increases small dense low-density lipoproteins in healthy men: a randomized trial.  Europ Heart J. 2010;  31 1633-1639
  • 3 Erdmann E. Zur aktuellen Debatte über die Senkung des LDL-Cholesterins durch Ezetimib.  Dtsch Med Wochenschr. 2010;  135 1742
  • 4 Hiukka A. et al . Long-term effects of fenofibrate on VLDL and HDL subspecies in participants with type 2 diabetes mellitus.  Diabetologie. 2007;  50 2067-2075
  • 5 Krumholz H M, Hayward R A. Shifting views on lipid lowering therapy.  BMJ. 2010;  341 332-333
  • 6 Musunuru K. et al . Ion mobility analysis of lipoprotein subfractions identifies three independent axes of cardiovascular risk.  Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2009;  29 1975-1980
  • 7 Villines T C. et al . The ARBITER 6-HALTS Trial (Arterial Biology for the Investigation of the Treatment Effects of Reducing Cholesterol 6-HDL and LDL Treatment Strategies in Atherosclerosis): final results and the impact of medication adherence, dose, and treatment duration.  J Am Coll Cardiol. 2010;  55 2821-2726

Prof. Dr. med. Erland Erdmann

Herzzentrum der Universität zu Köln
Klinik III für Innere Medizin
Universitätsklinik zu Köln

Kerpener Str. 62

50937 Köln

Phone: 0221/478-32511

Fax: 0221/478-32512

Email: erland.erdmann@uni-koeln.de

    >