veterinär spiegel 2011; 21(02): 83
DOI: 10.1055/s-0030-1271102
Nutztiere & Pferde
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Beratung in der Nutztierpraxis

Wito-Jürgen Last
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Publication Date:
05 July 2011 (online)

Beratung in der Nutztierpraxis

Die Beratung der landwirtschaftlichen Betriebe lag bis vor einigen Jahren in der Zuständigkeit der Landwirtschaftsämter (-kammern). Strukturwandel in der Landwirtschaft und Verwaltungsreformen haben dazu geführt, dass die Beratung weitgehend, z. T. über 50 %, privatisiert ist. Jedes Bundesland hat eigene Regulierungen getroffen und beteiligt sich mehr oder weniger an den Beratungskosten für die Landwirtschaft. Dies bedeutet wiederum, dass landwirtschaftliche Betriebe in den einzelnen Bundesländern mit ungleichen Regelungen dem Erwerbskampf ausgesetzt sind.

Das Angebot an Beratungen im landwirtschaftlichen Umfeld passt sich fortlaufend den gegebenen Konstellationen an. Die Vorgaben der EU und die wechselnden finanziellen Engpässe der Länder sind richtungsweisend. Das Beratungsangebot hat sich permanent entwickelt und steht den landwirtschaftlichen Betriebsleitern in unterschiedlicher Form zur Verfügung: die staatliche Offizialberatung, Beratung durch Landwirtschaftskammern, Beratungsringe als eingetragene Vereine und die Privatberatung.

Die Landwirte sind Erzeuger und Lieferanten von Lebensmitteln. Man muss erwarten, dass sie sich ihrer Verantwortung dem lebensmittelliefernden Tier und dem Verbraucher gegenüber bewusst sind. Cross Compliance verpflichtet sie zur der Einhaltung von Umweltstandards und stellt somit Anforderungen an Prämienzahlungen.

Am Beispiel Baden-Württemberg zeigt sich das umfassende Angebot an mannigfaltiger Beratung. Über 40 Beratungsdienste stehen als eingetragene Vereine zur Verfügung. Davon sind 17 in der Milchvieh- und Rinderhaltung und 1 Beratungsdienst in der Schweinehaltung und Schweinezucht angesiedelt. In Bayern wird eine Verbundberatung zwischen dem Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung e. V. (LKP) und dem Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredlung e. V. (LKV) und weiteren nicht staatlichen Beratungspartnern angeboten.

Tierärzte nicht ausreichend gelistet

Leider fehlt in allen Auflistungen die Beratung der Tierärzte. Diese sollten als „Beratung durch Tierärzte“ in die Übersichten der Beraterangebote aller Länder aufgenommen werden.

Aus diesen Fakten ergeben sich folgende Fragen:

  1. Stehen die Beratungsdienste mit den praktizierenden Tierärzten im Verdrängungswettbewerb?

  2. Haben wir die Beratung zu gering gewichtet und den Anschluss versäumt?

  3. Wie viel Beratung erwartet der Tierhalter vom Tierarzt?

Ad 1) Den Tierärzten sind Betätigungsfelder verloren gegangen. Umso mehr ist eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten zu empfehlen. Eine Beratung, die darauf abzielt, generell die Tierarztkosten zu senken, ist der falsche Ansatz. Es zählt auch hier, im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen. Zur Erhaltung der Tiergesundheit ist ein Zusammenwirken der Inputs aller mit der Beratung beauftragten Organisationen, Institutionen und Verbände notwendig, wobei dem Tierarzt eine wesentliche Verantwortung hinsichtlich des Verbraucherschutzes zukommt.

Ad 2) Aus der Historie wissen wir, dass der Landtierarzt mit vielen Problemen des täglichen Lebens konfrontiert ist. Aus den Gesprächen neben den Tätigkeiten entspringt die gut gemeinte kostenlose Beratung. Die Liquidation basiert meist aus der Behandlungstätigkeit und, wenn unvermeidbar, „ut aliquid fiat“. Diese „Lücke“ der kostenlosen Beratung ist zwischenzeitlich von den Beratungsdiensten e. V. aufgenommen worden. Doch es ist nie zu spät, in die integrierte tierärztliche Bestandsbetreuung einzusteigen.


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Der Markt macht's

Ad 3) Die Tierhalter sind i. d. R. aufgeschlossen für eine umfassende und fachlich kompetente tierärztliche Beratung. Die Erwartungen sprengen bisweilen den gesetzlichen Rahmen. Tierärztliche Beratung ist keine medizinische Schulung der Tierhalter. Speziell in der Umsetzung der Novellierungen des Arzneimittelgesetzes finden wir Uneinsichtigkeit und Unverständnis. Und auch die Tierschutzbewegung darf uns nicht dazu veranlassen, Sedativa und Anästhetika zur Vermeidung von schmerzhaften Eingriffen abzugeben. Es ist die Wirtschaftlichkeit, die uns zwingen soll, auf tierärztliche Aufgaben zu verzichten. Der Markt übt Druck auf den Tierhalter aus. Wir müssen uns soweit positionieren, dass sich der Markt nach den Vorgaben zur Wahrung des Verbraucherschutzes richtet.

Übrigens: Heute hat der Landwirt mit dem Bewirtschaften landwirtschaftlicher Nutzflächen nicht nur die zusätzliche Aufgabe des Landschaftschützers übernommen, sondern er ist mit dem Betreiben von Biogasanlagen zunehmend zum Energielieferanten geworden. Kritisch betrachtet werden muss die Tatsache, dass Futter und Nahrungsmittel zur Energiegewinnung herangezogen werden, im Besonderen im Hinblick auf die Problematik der Ernährungssituation in der Weltbevölkerung.

Und wir Tierärzte müssen u. a. von dem Wenigen, was die Landwirte von unserer Beratung vergessen haben, existieren.

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