Psychother Psychosom Med Psychol 2011; 61(11): 489-490
DOI: 10.1055/s-0031-1276933
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Interdisziplinäre Kursfortbildung Psychokardiologische Grundversorgung

Christoph  Herrmann-Lingen1
  • 1Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen
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Publication Date:
11 November 2011 (online)

Einleitung

Die Bedeutung psychosozialer Faktoren bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist empirisch mittlerweile sehr gut belegt und wird in der Kardiologie seit einigen Jahren zunehmend anerkannt. Diverse aktuelle Leitlinien empfehlen eine Beachtung psychosozialer Faktoren in der Prävention, Behandlung und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Krankheiten bzw. der betroffenen Patienten. Diese Empfehlungen treffen jedoch auf eine kardiologische Versorgungslandschaft, in der weiterhin das Gespräch mit dem Patienten meist nur am Rande einer gigantischen technischen Inszenierung stattfindet, selten länger als fünf Minuten dauert und ganz überwiegend von informierenden und belehrenden Arztäußerungen bestimmt wird (Gordon et al. 2005). Psychosomatische Inhalte werden in der großen Mehrzahl der Fälle ausgeblendet, bagatellisiert oder an Psychologen in Rehabilitationskliniken delegiert, die im 30-min-Takt kaum mehr als kurze Beratungen anbieten können. Während Kardiologen neben der Zeit und finanziellen Anerkennung für gesprächsintensive Leistungen sehr häufig psychosomatische Grundkenntnisse fehlen, verfügen viele Psychologen in Rehabilitationskliniken über nur sehr rudimentäre Grundkenntnisse kardialer Erkrankungen und sehr häufig auch über keine fundierte Psychotherapieausbildung. Aber auch viele ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten verfügen nur über wenige Spezialkenntnisse in der Behandlung herzkranker Patienten. Das Gespräch zwischen Kardiologen und Psychotherapeuten findet nur punktuell statt und oft fällt es dann schwer, eine gemeinsame Sprache zu finden und der jeweils anderen professionellen Perspektive wertschätzend zu begegnen.

Ermutigt durch positive Erfahrungen aus Österreich hat der Nukleus der 2002 in der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) gegründeten Arbeitsgruppe Psychosoziale Kardiologie im Herbst 2008 ein eigenes Fortbildungskonzept für eine „Psychokardiologische Grundversorgung“ erarbeitet. Dieses Konzept lehnt sich an die deutschen Vorgaben zur Psychosomatischen Grundversorgung an, unterscheidet sich von diesen aber in 2 wesentlichen Punkten:

fokussiert es die Themenkomplexe der Psychosomatischen Grundversorgung gezielt auf die Behandlungskontexte, Krankheitsbilder und Patientenbesonderheiten der Kardiologie und wendet es sich nicht nur an primär somatisch tätige Ärzte, die herzkranke Patienten behandeln, sondern auch an Psychologen und Ärzte der psychosozialen Fachrichtungen, die an der Behandlung kardiologischer Patienten mitwirken.

Umgesetzt wurden diese Besonderheiten in ein Kursangebot, das von Aufbau, Umfang und allgemeiner Themenstellung den Kursen in Psychosomatischer Grundversorgung ähnelt. An 5 Wochenenden finden über einen Zeitraum von ca. 11 Monaten insgesamt 80 Unterrichtsstunden statt, die sich auf 50 Stunden Theorievermittlung und praktische Übungen sowie 30 Stunden interaktionsbezogene Fall- bzw. Balint-Arbeit verteilen.

Ziel ist die Vermittlung wesentlicher Aspekte der psychosomatischen Grundversorgung kardiologischer Patienten in Akutklinik, Rehabilitation und Praxis. Einen wichtigen Anteil der Lehrveranstaltungen stellt die Arbeit mit Live- und Simulationspatienten sowie die Arbeit an Fallbeispielen der TeilnehmerInnen dar. Die erfolgreiche Teilnahme an dem Curriculum stellt die Grundlage für ein Zertifikat „Psychokardiologische Grundversorgung“ dar.

Univ.-Prof. Dr. med. Christoph Herrmann-Lingen

Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen

von-Siebold-Straße 5

37075 Göttingen

Email: cherrma@gwdg.de

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