Aktuelle Neurologie 2011; 38(09): 481-482
DOI: 10.1055/s-0031-1298844
Neuro-Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuro-Quiz

J.-I. Huhn
Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen
,
M. Obermann
Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
03 January 2012 (online)

Anamnese

Die Erstvorstellung des 57-jährigen Patienten erfolgte im Dezember 2009. Seit 3 Monaten bestanden progrediente Gedächtnisstörungen, psychomotorische Verlangsamung und eine Hypästhesie der linken Gesichtshälfte. In der klinisch-neurologischen Untersuchung fiel zu diesem Zeitpunkt ein unerschöpflicher horizontaler Blickrichtungsnystagmus nach links und ein sehr unsicheres, ataktisches Stand- und Gangbild auf. MR-tomografisch zeigten sich bithalamische, mesenzephale, pontine und zerebelläre Läsionen ([Abb. 1]). Die Liquoranalyse ergab eine normale Zellzahl, keine Protein-, Glukose- oder Laktaterhöhung. Der Albuminquotient war pathologisch erhöht, bei leichter Störung der Schrankenfunktion konnte keine intrathekale IgG-Synthese nachgewiesen werden. Zudem gab es keinen Anhalt für bakterielle oder virale Infektionen (inkl. JC-Virus). Es erfolgte der Ausschluss eines M. Whipple mittels Gastroskopie und multiplen PEs ohne Nachweis von T. Whippelii. Labor: ACE < 3,8 U/l, Lysozym 535/µg/l, ANA und ANCA negativ. NSE 22,4 ng/ml, Rheumafaktor 34,2 IU/ml, IgE im Serum 858 IU/ml, unauffälliges paraneoplastisches Profil, unauffällige Tumormarker inkl. NSE, löslicher IL-2-Rezeptor normwertig, keine virale Infektion, TPHA negativ. Es erfolgte schließlich eine stereotaktische Serienbiopsie links periventrikulär, die ein entzündlich verändertes Hirngewebe ohne Anhalt für einen Tumor erbrachte. Wir begannen eine Therapie mit 1000 mg Prednisolon (Solu-Decortin H) i. v. über 5 Tage, mit ausschleichender Dosisreduktion.

Zoom Image
Abb. 1 MRT im Verlauf, FLAIR Wichtung, A: initiales MRT vom 17.12.2009, B: 09.03.2010 nach der 1. Kortison-Pulstherapie, C: 19.05.2010.

Im Rahmen der Wiedervorstellung im Januar 2010 zeigte sich eine deutliche Verbesserung der neurologischen Symptome mit unauffälligem neurologischen Untersuchungsbefund und deutlicher Regredienz der unregelmäßig begrenzten, KM-affinen Läsionen bithalamisch, mesenzephal, pontin und zerebellär im MRT Schädel, was als Therapieansprechen unter Steroiden gewertet wurde.

Bei dem Kontrolltermin im März 2010 imponierte eine deutliche Befundverschlechterung mit einer linksseitigen Hemisymptomatik und einer Ataxie in der neurologischen Untersuchung. Zudem klagte der Patient über eine zunehmende Gedächtnisstörung. Es wurde daraufhin ein PET-CT zum Ausschluss einer kryptogenen Neoplasie bei dem Verdacht auf ein paraneoplastisches Syndrom durchgeführt. Dieses zeigte außer einer metabolisch inaktiven Raumforderung laterobasal in der rechten Lunge einen durchweg unauffälligen Befund ohne Hinweis auf einen malignen Prozess. Bei vorherigem guten Ansprechen der Symptomatik auf Steroide wurde ein erneuter, diesmal in der Dosis erhöhter, Kortisonstoß mit 1000 mg Prednisolon (Solu-Decortin H) i. v. über 5 Tage durchgeführt. Zunächst kam es darunter zu keiner klinischen Besserung, im weiteren Verlauf berichtete der Patient aber über eine deutliche Regredienz, insbesondere der Stand- und Gangataxie.

Eine geplante Wiedervorstellung erfolgte zur Reevaluation 6 Wochen nach Kortisonstoß im Mai 2010. Zwischenzeitlich hatte der Patient nun eine Aphasie mit gehäuften Wortfindungsstörungen, einem unerschöpflichen Endstellnystagmus bds. und eine trigeminale Hypästhesie links entwickelt. Zudem beklagte er eine neu aufgetretene dezente Dysphagie zusätzlich zu der vorbestehenden Hemisymptomatik sowie der Stand -und Gangataxie. Bildmorphologisch zeigte sich im Vergleich zur Voruntersuchung teilweise deutlich rückläufige T2-Signalanhebungen im Pons mit kleinem Restbefund, einem weitestgehend unveränderten Befund im Thalamus und Seitenventrikel links. Es imponierten keine neuen oder neu KM-affinen Herde, sodass auf einen erneuten Steroidstoß, bei deutlich gebessertem Befund, verzichtet wurde.

Nach 6 Wochen zeigten sich bei der erneuten Vorstellung im Juli 2010 zunehmende kognitive Einbußen sowie eine deutliche Zunahme der Dysphagie. Da es auch MR-morphologisch zu einer erneuten Befundprogredienz kam, wurde eine erneute Hirnbiopsie im August 2010 geplant. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich ein klinisch-neurologisch unveränderter Befund. In der Biopsie im August 2010 zeigte sich tumorfreies, entzündliches (am ehesten T-Zell vermittelt autoimmun) und reaktiv alteriertes Hirngewebe; im referenzpathologischen Befund aus Göttingen wurde die Diagnose einer Enzephalitis ohne Erregernachweis gestellt. Laborchemisch waren die GAD- und NMDA-Rezeptor-Autoantikörper normwertig. Es wurde daraufhin mit dem ersten Cyclophosphamidstoß (Endoxanstoß; 1,2 g bei einem Therapieprotokoll von 15 mg/kg Körpergewicht bzw. 600 mg/m² KOF) begonnen, mit anschließender oraler Gabe von 4-mal 4 mg Dexamethason täglich in ausschleichender Dosierung bis zur nächsten Reevaluation vier Wochen später. Hier zeigte sich eine deutliche klinische sowie MR-morphologische Befundbesserung mit nur noch kleinen, KM-affinen Herden im Thalamus links.

  • Wie schätzen Sie diese Erkrankung ein? Typische bildmorphologische Befunde?

 
  • Literatur

  • 1 Pittock SJ, Debruyne J, Krecke KN et al. Chronic lymphocytiv inflammation with pontine perivascular enhancement responsive to steroids (CLIPPERS). Brain 2010; 133: 2626-2634
  • 2 List J, Lesemann A, Wiener E et al. A new case of CLIPPERS. Brain 2011;
  • 3 Kastrup O, van de Nes J, Gasser T et al. Three cases of CLIPPERS: a serial clinical, laboratory and MRI follow-up study. J Neurol 2011; (Epub ahead of print)