Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2012; 47(9): 542-554
DOI: 10.1055/s-0032-1325285
Fachwissen
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Operative Therapie und Intensivmedizin bei Schwerbrandverletzten – Teil 1: die ersten 24 Stunden

Surgical therapy and critical care medicine in severely burned patients – Part 1: the first 24 ours
Rolf Dembinski
,
Jens Kauczok
,
Robert Deisz
,
Norbert Pallua
,
Gernot Marx
Further Information

Publication History

Publication Date:
11 September 2012 (online)

Zusammenfassung

Die intensivmedizinische Versorgung Schwerbrandverletzter muss sich an den unterschiedlichen Phasen der Verbrennungskrankheit orientieren. In diesem Sinne müssen operative und nicht operative Maßnahmen koordiniert werden. Die initiale Wundversorgung umfasst zunächst die topische Behandlung weniger schwer verbrannter Hautareale sowie das operative Debridement schwerverbrannter Regionen. Die ersten 24 Stunden der intensivmedizinischen Therapie sind v.a. der hämodynamischen Stabilisierung durch kalkulierten Ausgleich des Flüssigkeitsdefizits gewidmet. Neben der Kreislaufstabilisierung steht dabei das Ziel im Vordergrund, eine Zunahme der Ödembildung im Wundgebiet und damit eine Zunahme der Gewebeschädigung soweit wie möglich zu vermeiden. Im weiteren Verlauf der Versorgung steht von chirurgischer Seite eine möglichst rasche Deckung der schwer verbrannten Hautareale mit Spalthauttransplantaten im Zentrum der Bemühungen, die intensivmedizinische Behandlung zielt auf eine Vermeidung von Komplikationen wie Infektionen und beatmungsassoziierte Lungenschädigungen ab. In diesem Sinne sind lungenprotektive Beatmungstrategien, die Nutzung von Sedierungs- und Entwöhnungsprotokollen, ein frühzeitiger enteraler Kostaufbau und eine adäquate Physiotherapie wichtige Bausteine der Therapie.

Abstract

Critical care medicine in severely burned patients should be adapted to the different pathophysiological phases. Accordingly, surgical and non-surgical therapy must be coordinated adequately. Initial wound care comprises topical treatment of less severely injured skin and surgical debridement of severely burned areas. The first 24 hours of intensive care are focused on calculated fluid delivery to provide stable hemodynamics and avoid progression of local edema formation. In the further course wound treatment with split-thickness skin grafts is the major aim of surgical therapy. Critical care is focused on the avoidance of complications like infections and ventilator associated lung injury. Therefore, lung-protective ventilation strategies, weaning and sedation protocols, and early enteral nutrition are important cornerstones of the treatment.

Kernaussagen

  • In der Initialphase der intensivmedizinischen Versorgung stehen die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und die Stabilisierung der Stasezone der verbrannten Hautareale im Vordergrund der Behandlung.

  • In diesem Sinne muss der Einsatz kolloidaler Lösungen innerhalb der ersten 24 h kritisch geprüft werden, um eine Ödembildung im Bereich der verbrannten Hautareale zu minimieren. Lässt sich anderweitig jedoch keine hämodynamische Stabilisierung erzielen, so gilt deren Einsatz heute nicht mehr grundsätzlich als kontraindiziert.

  • Katecholamine sollten nach Möglichkeit keine Verwendung finden.

  • Im weiteren Krankheitsverlauf kann der Einsatz von Albuminlösungen erwogen werden, solange es zu einem kontinuierlichen Verlust von Plasma über noch nicht plastisch gedeckte Hautareale kommt.

  • Die operativen Maßnahmen erfolgen im Anschluss an die Primärversorgung und richten sich nach dem Ausmaß der Verbrennung und dem Allgemeinzustand des Patienten.

  • Verbrennungen ersten und zweiten Grades IIa werden topisch versorgt. Alle darüber hinausgehenden Verbrennungen müssen chirurgisch tangential bzw. epifaszial nekrektomiert werden.

  • Hautdefekte bis zu 20 % der Körperoberfläche können sofort gedeckt werden, bei größerflächigen Defekten oder instabilen Patienten ist eine temporäre Deckung zu bevorzugen.

  • Das Inhalationstrauma ist ein wesentlicher Risikofaktor für den Krankheitsverlauf und die Sterblichkeit Schwerbrandverletzter. Die Anwendung adjuvanter Therapieverfahren wie die Inhalation von Azetylzystein und Heparin kann erwogen werden.

  • Eine niedrigdosierte enterale Ernährung (z. B. 10 ml/h Sondenkost mit 1,5 kcal/ml entsprechend 4,5 kcal/kg KG pro Tag bei einem 80 kg schweren Patienten) sollte innerhalb der ersten 24 h begonnen werden.

Ergänzendes Material