Der Klinikarzt 2012; 41(8): 333
DOI: 10.1055/s-0032-1328937
Editorial
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Raucherentwöhnung als Kassenleistung?

Achim Weizel
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Publication Date:
27 September 2012 (online)

An der Tatsache, dass Tabakkonsum ein krankmachender Faktor ist, kommt man nicht vorbei. Man nimmt an, dass jährlich etwa 5 Millionen Todesfälle ursächlich auf den Tabakkonsum zurück zu führen sind (Review: [1]). Dies gilt unter anderem für die Entstehung des Herzinfarktes, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, sowie für pulmonale Erkrankungen wie COPD und Lungenkrebs. Die Mechanismen, die beim Rauchen beziehungsweise bei Rauchern eine Rolle spielen, sind gut erforscht. Im viel zitierten US Surgeon General's report (1988) – The Health consequences of smoking: Nicotine addiction – werden folgende Feststellungen getroffen:

Zigarettenrauchen und andere Arten des Tabakkonsums sind Sucht erregend, Nikotin ist dabei die Substanz, die für die Suchtauslösung verantwortlich ist, die pharmakologischen und verhaltensbedingten Prozesse, die die Tabakabhängigkeit hervorrufen, entsprechen den Prozessen, die zur Abhängigkeit von Heroin und Kokain führen.

Nikotinabhängigkeit kann nach Absetzen des Nikotins zu deutlichen Entzugssymptomen führen. Wegen der Bedeutung des Problems ist es verständlich, dass sich Kollegen vieler Fachrichtungen (Kardiologen, Pneumologen, Psychiater, Psychotherapeuten) mit diesem Phänomen beschäftigen.

Die Kampagnen zur Raucherentwöhnung erinnern an den Kampf gegen das Übergewicht, ähnlich entmutigend sind auch oft die Ergebnisse.

Eine Vielzahl von Interventionsmöglichkeiten wird dem Raucher angeboten. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen, Hypnose, Akupunktur sind nur einige der Empfehlungen die ausgesprochen, und in großer Zahl auch angenommen werden. Institutionen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) sind seit vielen Jahren im Sinne der Aufklärung und Prävention tätig.

In England ist man hierbei weiter, hier wird seit Jahren die Raucherentwöhnung von den Kostenträgern bezahlt.

Neben den Allgemeinmaßnahmen zur Raucherentwöhnung hat die Industrie medikamentöse Hilfen im Angebot. Diese umfassen die Nikotin-Ersatz-Therapie sowie die Medikamente Bupropion und Vareniclin. Bis heute sind diese Präparate als sogenannte Lifestyle-Präparate nicht verordenbar. Dies wurde als Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses letztmals am 12.2.2011 festgeschrieben.

Die Befürworter der Kampagne, Nikotinentwöhnung als Kassenleistung anzuerkennen, sind in diesem Jahr publizistisch offensiv an die Öffentlichkeit getreten. In einem offenen Brief haben sich Pneumologen, Psychiater, Suchtforscher, die Deutsche Herzstiftung und das DKFZ am 11. Januar an das Bundesministerium für Gesundheit gewandt (Text: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie). Sie weisen darauf hin, dass einerseits die Tabakabhängigkeit wissenschaftlich als Sucht anerkannt ist, andererseits eine Kosteneffektivität der Tabakentwöhnung in mehreren Untersuchungen zweifelsfrei erwiesen ist. Sie fordern eine Übernahme der Kosten für die Tabakentwöhnung bei Patienten mit COPD, die im Disease Management Programm COPD eingeschrieben sind. Diese Programme sollten auf Patienten mit Asthma bronchiale erweitert werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hatte diese Initiative früher schon befürwortet, in eine Rechtsverordnung wurden die Beschlüsse nicht umgesetzt. Wegen einer Änderung der Zuständigkeiten muss der GBA in diesen Wochen erneut beraten.

Schätzungen über die Kosten des Programms sind im Brief der Ärzte nicht enthalten. Die Tageskosten für die medikamentöse Therapie werden mit 4 Euro pro Tag angegeben, dies ist weniger als der Preis für eine Packung Zigaretten. Bei einer geschätzten Zahl von 250 000 COPD-/Asthma-Patienten, bei denen eine solche Therapie in Frage käme, wird der Aufwand für das Programm auf 1 Million Euro pro Tag angegeben (Kommentar der FAZ, 25. Januar 2012).

In diesem Zusammenhang überrascht es nicht, dass die Krankenkassen dieser Initiative nicht sehr positiv gegenüberstehen und von ihrer Seite ausschließlich Lebensstiländerungen empfehlen. Die Pharmafirmen dagegen stehen „Gewehr bei Fuß“, um in diesen lukrativen Markt einzusteigen.

Das Programm der medikamentösen Raucherentwöhnung wird also im Spannungsfeld zwischen Ärzten, Pharmaindustrie und Politik hin und her geschoben, die nahe Zukunft wird zeigen, wer sich mit seiner Meinung durchsetzen kann.

 
  • Literatur

  • 1 Hatsukami DK et al. Lancet 2008; 371: 2027-2038