Z Gastroenterol 2013; 51(9): 1128
DOI: 10.1055/s-0033-1356991
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Hepatologie – Sind Boceprevir oder Telaprevir Praxisbesonderheiten?

Stefan Mauss
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Publication Date:
11 September 2013 (online)

Mit Boceprevir und Telaprevir wurden 2010 zwei innovative direkt antiviral wirksame Medikamente zur Behandlung der chronischen Hepatitis C zugelassen und im Rahmen des AMNOG Verfahrens zur frühen Nutzenbewertung als erstattungsfähig durch die GKV anerkannt. Eine Einstufung als Praxisbesonderheit ist jedoch für beide Präparate mit dem GKV Spitzenverband nicht verhandelt worden.

Diese Bewertung erfolgte bisher im Verfahren der frühen Nutzenbewertung nur für Ticagrelor, Pirfenidon und Abiratereonacetat. Alle anderen Medikamente, die diesen Prozess durchlaufen haben, d. h. auch Boceprevir und Telaprevir, sind damit auch bei indikationsgemäßer und wirtschaftlicher Anwendung nicht generell von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen.

Damit ist die Regelung auf Länderebene entscheidend. Dort können weitere Praxisbesonderheiten vereinbart werden. Oft existieren Regelungen vor der Einführung des Verfahrens zur frühen Nutzenbewertung, die fortgeschrieben werden. Liegt keine Einstufung als Praxisbesonderheit vor, können hochpreisige Medikamente eine Überschreitung der Richtgrößen und damit eine Richtgrößenprüfung nach § 106 SGB V mit nachfolgender Wirtschaftlichkeitsprüfung nach sich ziehen.

Dabei wird dann das gesamte Verordnungsvolumen und nicht nur die hochpreisigen Medikamente, die das Verfahren möglicherweise ausgelöst haben, geprüft. Bei einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise kann ein Regress erfolgen. Vor einem Regress muss allerdings derzeit noch eine Pharmaökonomieberatung erfolgen.

Durch die fehlende Einstufung von Boceprevir und Telaprevir als Praxisbesonderheit auf Bundesebene entstehen Unsicherheiten, die nur durch eine Kenntnis der weiteren Regelungen auf Landesebene geklärt werden können. Das Ergebnis kann dabei unterschiedlich sein.

Exemplarisch seien die Praxisbesonderheiten der KVNo und der KVRLP dargestellt. Für die KVNo ist die Hepatitistherapie indikationsbezogen geregelt. Die Ausnahmeziffer ist die 90 904 und der etwas sperrige Text lautet „Interferon-Therapie bei Hepatitis B oder Hepatitis C bei strenger Indikationsstellung mit für diese Indikationen zugelassenen Präparaten u. andere für diese Indikation zugelassene antivirale Mittel“. Diese Formulierung stammt aus der Zeit vor der Zulassung von Boceprevir und Telaprevir, erfasst aber beide Arzneimittel. Aus diesem Grund fallen Boceprevir und Telaprevir in Nordrhein unter die Praxisbesonderheiten. Die Liste wurde für 2013 von der KVNo mit den Kostenträgern unverändert fortgeschrieben.

Anders sieht es in Rheinland-Pfalz aus. Für die KVRLP gibt es eine Positivliste einzelner Medikamente, die von 2009 datiert. Nach 2009 zugelassene Medikamente sind nicht mehr berücksichtigt worden. Auf dieser Liste sind Telaprevir und Boceprevir nicht zu finden. Eine allgemeinere auf die Indikation bezogene Regelung gibt es nicht. Damit gelten Boceprevir und Telaprevir in der KVRLP nicht als Praxisbesonderheit.

Eine Übersicht über die Regelung in den einzelnen Ländern findet sich in der unten angefügten Tabelle.

KV

Praxisbesonderheit

Baden-Württemberg

Wirkstoffliste Stand 2013. Boceprevir und Telaprevir sind gelistet.

Bayern

Keine Praxisbesonderheit, da nicht gelistet und Bezugnahme auf Einstufung bei der allgemeinen Nutzenbewertung.

Berlin

„Interferon-Therapie bei Hepatitis B oder Hepatitis C bei strenger Indikationsstellung mit für diese Indikationen zugelassenen Präparaten.“ Verweis auf andere antivirale Wirkstoffe fehlt.

Brandenburg

Symbolziffer 99313 „Arzneimitteltherapie der Hepatitis B u. C mit dafür zugelassenen Virostatika“.

Bremen

„Interferon-Therapie bei Hepatitis B oder Hepatitis C mit Nachweis einer strengen Indikationsstellung; ggfs. in Kombination mit anderen antiviralen Mitteln.“

Hamburg

Symbolnummer 91003 „Interferon-Therapie bei Hepatitis B oder Hepatitis C bei strenger Indikationsstellung mit für diese Indikationen zugelassenen Präparaten, auch in Kombination mit anderen dafür zugelassenen antiviralen Mitteln.“

Hessen

Symbolnummer 98510 „Interferon-Therapie bei Hepatitis B und C.“ Nicht expliziet eingeschlossen.

Mecklenburg-Vorp.

Hepatitis-Therapie keine Praxisbesonderheit. Als Einzelfallprüfung bei praxisindividueller Darlegung der Behandlung und hinreichender Diagnosenstellung sei eine Herausrechnung dieser besonderen Patientengruppe möglich.

Niedersachsen

Keine Praxisbesonderheit, da nicht gelistet und Bezugnahme auf Einstufung bei der allgemeinen Nutzenbewertung.

Nordrhein

Symbolnummer 90904 „Interferon-Therapie bei Hepatitis B oder Hepatitis C bei strenger Indikationsstellung mit für diese Indikationen zugelassenen Präparaten u. andere für diese Indikation zugelassene antivirale Mittel“.

Rheinland Pfalz

Wirkstoffliste Stand 22.6.2009. Nicht gelistet.

Saarland

Wirkstoffliste Stand 25.9.2001. Nicht gelistet.

Sachsen

Hepatitis Therapie ist keine definierte Praxisbesonderheit. In Einzelfallprüfung bei praxisindividueller Darlegung der Behandlung und hinreichender Diagnosenstellung ist eine Berücksichtigung möglich.

Sachsen-Anhalt

Wirkstoffliste Stand 2013. Nicht gelistet.

Schleswig-Holstein

„Interferon-Therapie bei Hepatitis B und Hepatitis C mit für diese Indikationen zugelassenen Präparaten, ggf. in Kombination mit anderen dafür zugelassenen antiviralen Mitteln“.

Thüringen

Bisher keine Listung einer Hepatitis Therapie als Praxisbesonderheit. Es finden aber Vertragsverhandlungen mit den Kostenträgern in diese Richtung statt.

Westfalen-Lippe

Anhang 5 der gemeinsamen Prüfvereinbarung Stand 1.7.2009, Wirkstoff- und Indikationsliste „Interferon-Therapie bei Hepatitis B und C, ATC Code J05AB04, L03AB04/05/09/10/11 Ribavirin, Interferon-alfa-2a/b, Interferon alfacon-1, Peginterferon alfa-2b/a“ Nicht gelistet.