Z Gastroenterol 2013; 51(10): 1201-1203
DOI: 10.1055/s-0033-1357026
Mitteilungen der DGVS
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

DGVS Spring Conference 2013 – Resümee

Tom Lüdde
,
Thomas Wirth
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Publication Date:
22 October 2013 (online)

Am 7. und 8. Juni fand in Berlin die DGVS Spring Conference 2013 zum Thema „Hepatocellular Carcinoma: From Molecular Principles to Novel Therapeutic Strategies” statt. Das wissenschaftliche Programm wurde gemeinsam von vier universitären, gastroenterologisch-hepatologischen Kliniken organisiert (Prof. Dr. C. Trautwein / Aachen, Prof. Dr. M. P. Manns / Hannover, Prof. Dr. P. R. Galle / Mainz, Prof. Dr. N. Malek / Tübingen). Mit dem Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, hatten die Organisatoren von Seiten der DGVS unter Leitung von Frau Ines Hoffmann in diesem Jahr einen Veranstaltungsort mit einer besonderen Atmosphäre gewählt. In dem traditionsreichen Haus, in dem üblicherweise unter der überlebensgroßen Willy-Brandt-Skulptur das politische Geschehen in Deutschland kommentiert und gestaltet wird, trafen sich ca. 100 Wissenschaftler und Kliniker aus dem In- und Ausland, um vor allem grundlagenwissenschaftliche Aspekte der Hepatokarzinogenese zu diskutieren.

In seiner Begrüßungsrede hob Herr Prof. Dr. M. P. Manns, Hannover, zunächst die besondere Bedeutung des hepatozellulären Karzinoms (HCC) für klinische Hepatologen und Wissenschaftler in Deutschland und der Welt hervor. So ist das HCC die weltweit fünfthäufigste Tumorerkrankung und zeigte in den letzten 20 Jahren – zeitverzögert zur weltweiten Verbreitung von Virushepatititiden, aber auch der Zunahme einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (nonalcoholic fatty liver disease, NAFLD) als Folge von Diabetes mellitus und des metabolischen Syndroms in der westlichen Welt – eine deutlich steigende Inzidenz. Besonders die Tatsache, dass die kürzlich durchgeführten, großen Phase-III-Studien zur systemischen HCC Therapie keine signifikanten Verbesserungen für Patienten erbracht hatten, verdeutlichte die Notwendigkeit neuer molekularer Therapiestrategien zur Verhinderung und Behandlung des HCC, einer Tatsache, der die Organisatoren durch die Fokussierung auf grundlagenwissenschaftliche Aspekte in dieser Konferenz Rechnung tragen wollten. Des weiteren hob Herr Prof. Dr. Manns die besondere Intention der Organisatoren hervor, den vielen hochtalentierten Jung-Wissenschaftlern, die sich in Deutschland gerade mit diesem Thema beschäftigen, die Möglichkeit zu geben, ihre Ergebnisse mit hochrangigen Experten intensiv zu diskutieren. Dafür konnten die Organisatoren einige der erfolgreichsten Wissenschaftler auf diesem Gebiet aus dem In- und Ausland, z. B. Österreich, Griechenland, Frankreich, Israel und den USA für die Konferenz gewinnen. Schließlich betonte Herr Prof. Dr. Manns die Besonderheit des zeitlichen Zusammentreffens der Konferenz mit der Veröffentlichung der ersten deutschen S3-Leitlinien zum HCC, welche unter der Schirmherrschaft der DGVS erstellt worden war und an der Teilnehmer und Organisatoren der Konferenz intensiv mitgewirkt hatten.

Das wissenschaftliche Programm begann mit einem Vortragsblock, in dessen Zentrum zum einen systembiologische Ansätze in der Leberkrebsforschung standen und der von Prof. Dr. P. Schirrmacher, Heidelberg und Prof. Dr. C. Trautwein, Aachen, moderiert wurde. So stellte PD Dr. T. Longerich, Heidelberg, seine Arbeiten zur Methylierung von Genen im humanen HCC vor. Durch integrative Profil-Analysen konnte mit period homolog 3 [PER3] ein neues Tumor-Suppressor-Gen identifiziert werden, welches durch Methylierung reguliert ist. Prof. Dr. M. Heikenwälder, München, stellte in seinem Vortrag neue Daten aus seinem Labor zu biochemischen und pathologischen Besonderheiten verschiedener Mausmodelle für Leberkrebs vor. Aufgrund seines hochinteressanten Vortrages wurde im Auditorium ausführlich die Frage diskutiert, welche der bestehenden Mausmodelle am besten für die Translation grundlagenwissenschaftlicher Daten in humane Patienten geeignet sind und außerdem festgestellt, dass weitere Anstrengungen hin zu einer systematischeren Analyse dieser Mausmodelle unternommen werden müssten. Schließlich wurden in dieser Vortragsreihe mit Vorträgen von A. Kettelhake, Berlin und S. Katz, Ulm die zwei von einer Jury im Vorfeld ausgewählten besten Abstracts geehrt.

Zwischen den verschiedenen Vortragsblöcken standen gemeinsame Begehungen der durch verschiedene Arbeitsgruppen aus dem In- und Ausland eingereichten Poster im Mittelpunkt. Dabei wurde von den Teilnehmern als besonders positiv empfunden, dass jedes Poster durch einen kurzen Vortrag vorgestellt und dann durch das gesamte Auditorium diskutiert wurde. Dadurch erhielten Nachwuchswissenschaftler ausreichend Gelegenheit, das freie Vortragen ihrer Arbeiten zu üben und von den konstruktiven Anmerkungen der Zuhörer zu profitieren. Außerdem wurden aus den wissenschaftlich hochkarätigen Posterbeiträgen mit Dr. C. Dagel, München und J. Winkler, Heidelberg zwei hervorragende Beiträge von jungen Wissenschaftlerinnen für einen Posterpreis ausgewählt.

Ein weiteres wichtiges Themenfeld der Spring-Conference wurde in der Vortragsreihe zu Entzündungsreaktionen und ihrer Rolle in der HCC Entwicklung behandelt, die von Prof. Dr. P. R. Galle, Mainz, und Prof. Dr. G. Gerken, Essen, moderiert wurde. Obwohl seit langem bekannt ist, dass die meisten HCCs im Rahmen von chronischen Entzündungsprozessen entstehen, sind anti-inflammatorische Konzepte in der HCC-Prävention und -Therapie bisher nicht etabliert, was verdeutlicht, dass molekulare Zusammenhänge in diesem Zusammenhang noch besser untersucht werden müssen. Besonders in diesem Themenblock stellten daher neben mehreren Wissenschaftlern aus Deutschland hochkarätige Forscher aus dem Ausland ihre neuesten Ergebnisse zu inflammatorischen Mediatoren und ihrer Bedeutung in der HCC-Entwicklung vor. So stellte unter anderem Prof. Dr. R. Schwabe, New York, USA, neue Ergebnisse zur Rolle von Darmbakterien in der HCC Entstehung vor. So konnte er zeigen, dass die kommensale Darmflora über Zellwandbestandteile und das „Toll-like-Receptor-System“ zur einer chronischen Entzündungsreaktion in der Leber beiträgt. Die gezielte Blockierung dieser Enzündungstimuli, z. B. durch eine antibiotische Darm-Dekontamination, führte erstaunlicherweise zu einer deutlichen Reduktion in der hepatischen Krebsentstehung im Mausmodell. Diese grundlegenden Einsichten in die wichtige Rolle der natürlichen Darmflora in der Hepatokarzinogenese stellten damit möglicherweise einen neuartigen Angriffspunkt für gezielte therapeutische Ansätze in Patienten mit chronischen Lebererkrankungen dar. Einen weiteren neuartigen Mechanismus über den Zusammenhang zwischen Entzündung und Leberkrebs stellte Prof. Dr. E. Pikarsky, Jerusalem, Israel in seinem Vortrag vor. Er konnte zeigen, dass vor allem in Patienten, die Leberkrebs auf der Grundlage einer chronischen Hepatitis C-Infektion entwickeln, der sogenannte NF-κB-Signalweg eine entscheidende Rolle spielt. In einem Mausmodell, welches durch eine gentechnische Veränderung konstant NF-κB in Leberzellen aktiviert, konnte er zeigen, dass spontane Tumoren entstehen, die histologisch humanen, Hepatitis-C-assoziierten Karzinomen entsprachen. Des Weiteren zeigte er, dass in dieser spezifischen Sequenz der Tumorgenese das Zytokin „Lymphotoxin“ eine entscheidende Rolle spielt, welches bereits in der klinischen Anwendung von Lebererkrankungen untersucht wird und daher speziell bei Hepatitis-C-Patienten eingesetzt werden könnte.

Den interessanten Vorträgen zur Rolle des Immunsystems in der Tumorentstehung wurden in einer weiteren von Prof. Dr. Kubicka, Reutlingen, und Prof. Dr. Thimme, Freiburg moderierten Vortragsreihe zu präklinischen Therapiestudien beim HCC verschiedene Vorträge zum möglichen Einsatz einer Immunaktivierung in der Therapie etablierter HCCs gegenübergestellt. Im Zentrum standen u. a. Vortrage von Dr. F. Kühnel, Hannover, und Prof. Dr. Lauer, Tübingen, über den Einsatz von onkolytischen Viren, ihre Interaktion mit dem Immunsystem und den Stand klinischer Studien in diesem Zusammenhang. Dr. C. Neumann-Haefelin, Freiburg, stellte Daten zur spezifischen Aktivierung von CD-8-T-Zellen in Hepatitis-C-assoziierten HCCs vor und Dr. T. Wirth, Hannover, beendete den ersten Veranstaltungstag mit seinem interessanten Vortrag über „Microsphären“-basierte Vakzinierungsstrategien in der HCC Behandlung.

Das wissenschaftliche Programm des zweiten Veranstaltungstages begann mit einer Vortragsreihe zu intrazellulären Signaltransduktion durch Onkogene und extrazelluläre Zytokine, die durch Prof. Dr. Maria Gonzalez-Carmona, Bonn und Prof. Dr. Michael Manns, Hannover, geleitet wurde. Eröffnet wurde die Sitzung durch Prof. Dr. Lars Zender, Tübingen, der in seinem Vortrag über die Identifikation von neuen Onkogenen in einem murinen HCC Modell berichtete. Mit der Methode der durch eine Transposase vermittelten stabilen Integration von shRNA Libraries und Onkogenen in Hepatozyten mit nachfolgendem Deep Sequencing der entstandenen HCC-Klone konnte er nicht nur neue Onkogene, sondern auch zelluläre Resistenzmechanismen gegen systemische Sorafenib-Therapien identifizieren, deren Inhibition die Wirksamkeit der Sorafenib-Therapie in HCC-Patienten deutlich steigern könnten. Gefolgt wurde sein Vortrag durch Ausführungen von Prof. Dr. Detlef Schuppan, Mainz, über die komplexe Rolle der Fibrogenese in der Entstehung solider Tumoren und einer möglichen Modellfunktion des HCC zum Studium dieser Rolle. Dieser exzellente Vortrag wurde gefolgt von zwei Studien von Dr. Jens Marquardt, Mainz und Dr. Uta Kossatz, Tübingen, zur Rolle von Stammzellen in der Entstehung von Hepatozellulären Karzinomen sowie zur Rolle von Interleukin-8 in der Differenzierung von hepatischen Stammzellen zu chemotherapie-resistenten Tumorstammzellen. Nachfolgend berichtete Prof. Andreas Teufel, Regensburg, über die Identifizierung von zweien für die Entstehung und Progredienz des HCC wichtigen neuen sogenannten „Driver Genes“, KIF18B und CDCA3. Ein weiterer Höhepunkt des Tages stellte der Vortrag von Prof. Dr. Zucman-Rosi, Paris, dar, in dem sie über ihre Studien zur Klassifikation von Hepatozellulären Karzinomen mittels High-resolution copy number Analyse und Whole-Exome Sequenzierungen berichtete und neue Daten zu prognostischen Gensignaturen in HCC-Patienten vorstellte.

Die letzte Sitzung der Konferenz zu den molekularen Ursachen der Nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH) und der Insulinresistenz moderierten abschließend Prof. Dr. Detlef Schuppan, Mainz und Prof. Dr. Michael Manns, Hannover, die die Bedeutung dieser Pathomechanismen vor allem in den entwickelten Ländern hervorhoben. Prof. Dr. Stefan Herzig, Heidelberg, begann die Vortragsreihe mit Ausführungen über die zentrale Rolle der Glucocorticoidrezeptoren in hepatischen Fettstoffwechselstörungen, der durch sie bedingten chronischen Inflammation und der Entstehung von hepatozellulären Karzinomen. Prof. Dr. Matthias Evert, Greifswald, fokussierte sich in seinem Vortrag auf einen der entscheidenden intrazellulären Mediatoren der pathologisch gesteigerten Insulin-vermittelten Signalkaskade in hepatozellulären Karzinomen, den „mammalian target of rapamycin“ (mTor) Signalweg. Den Abschluss der Sitzung bildete ein exzellenter Vortrag von Prof. Dr. Michael Trauner, Wien, zur Rolle des Lipidstoffwechsels in den der HCC-Entstehung vorangehenden Prozessen der chronischen Entzündung, der Fibrose und der pathologischen Hepatozytenproliferation.

Nach Abschluss dieser Vortragsreihe zur metabolischen Pathogenese des Hepatozellulären Karzinoms und somit am Ende der vier wissenschaftlichen Sitzungen bedankte sich Prof. Dr. Manns, Hannover, in seinem Schlusswort für die exzellenten Vorträge dieser Sitzung und die zahlreichen hochklassigen Beiträge der nationalen und internationalen Experten. Er hob vor allem die Bedeutung des HCC als eine wachsende globale Herausforderung für Mediziner hervor und die Notwendigkeit neuer grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse sowie innovativer Therapien, der beiden Schwerpunkte der DGVS HCC Spring Conference. Zudem würdigte er die zahlreichen hochklassigen wissenschaftlichen Abstracts der jungen Nachwuchsforscher sowie die exzellente Organisation des Events durch die DGVS in Person von Frau Ines Hoffmann, die der Veranstaltung mit dem Ambiente des Willy-Brandt Hauses einen mehr als würdigen Rahmen verlieh.

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